Besen, Besen ...

■ Hexen- und Kunstwerke in der Galerie Hertz: Die Allroundartistin Lili Fischer beschwört die Windgeister

Die Elemente zu beschwören – sowas gehört für eine Mystikerin wie Lili Fischer zum Alltagsgeschäft. Erde, Staub und Pflanzen hat sie im Laufe ihrer 20jährigen Karriere schon belauscht, becirct und schließlich – Krönung jeder Lili-Fischer-Performance – neu beseelt. Unvergessen ihr „Klärschlamm-Charleston“ in Stöckelschuhen: So wird selbst toteste Materie wieder lebendig. Jetzt beschwört Fischer nichts Geringeres als die Winde. Mit riesigen Fächern, Masken und Schattenfiguren ruft sie die Geister der Lüfte herbei – ein Vorhaben, wie geschaffen für die hohen Hallen der experimentierfreudigen Galerie Hertz.

Dort wirbelte die Künstlerin erst mal mächtig Staub auf. Unter Einsatz großer, bemalter und handgerupfter Papierfächer rief sie das Vernissagenpublikum auf, ihrem neu gegründeten „Fächelverein“ beizutreten. Nun ist der Zauber vorbei. Was bleibt, für die Dauer der restlichen Ausstellung, sind allerdings mehr als nur die Reste einer einmaligen Lili-Fischer-Performance. Die Fächer, Masken und Schattenfiguren an den Galeriewänden vermögen auch ohne die Anwesenheit ihrer Schöpferin die Phantasie der Betrachter ordentlich in Schwung zu bringen.

Denn alle Dinge, die Fischer einmal in den Fingern hatte, tragen immer noch die Spuren von Bewegung. Wie rituelle Tänzerinnen hat Fischer ihre lebensgroßen Schattenfiguren im Raum verteilt. Mit sicherem Gefühl für fließende Rhythmen hat sie ihre „Grazien“ rundum an den Galeriewänden und Vorhängen drapiert. Ekstatische Gesten wechseln mit ruhigen Momenten des Innehaltens. So tanzen die Grazien, aus luftigem Fliesmaterial gerissen, dem Besucher förmlich vor Augen. Wer dabei selbst ins Tänzeln kommt, bei dem hat Fischers Zauber gewirkt: Das Einbeziehen des Betrachters – und nicht etwa des „Publikums“ als anonyme Masse – gehört schließlich zu den vornehmsten Zielen der Fluxus-erfahrenen Künstlerin.

Ähnlich grazil, melodisch und beschwingt wirken auch die übrigen Objekte der Schau. In zart hingehauchten Rötel-Zeichnungen läßt Fischer groteske Masken und Gesichter auf Pergamentpapier erscheinen. Allein die feine Linienführung klingt schon nach Musik – es wäre mal ein hübsches Experiment, das einem Streichquartett als Partitur vorzusetzen.

So bringt die Hexenmeisterin nicht nur die Windgeister in deren ephemerer Form zum Erscheinen. Die Geister selbst, die Grazien und Dämonen, fächeln der Phantasie der Betrachter tüchtig frische Luft zu. Und davon kann man ja nie genug bekommen.

Erstaunlich übrigens, wieviel Erfrischendes die Bremer Galerienszene dieser Tage zu bieten hat. Und nicht nur die. Auch in anderen Kulturecken, von den Theatern bis zu alternativen Läden, wird Qualität in einem Umfang geboten, die nicht immer üblich war. Woran liegt's? Eine erfahrene Galeristin fand neulich die Antwort: „Trotz Kahrs ist soviel los wie nie.“ Auch eine Motivationshilfe. Thomas Wolff

Lili Fischer: „Grazien & Medaillons“, bis 7.7. in der Galerie Hertz, Richard-Wagner-Str. 22