Hier lacht die Sanitär-Innung

■ Bringt Abflußreiniger zum Klingen: Spaßgitarrist Chadbourne war im „Tower“

Manche Genüsse sind derart erlesen, daß man sie nur alleine genießen kann. Während im üblichen Konzertpublikum die Kleingruppe dominiert, fanden sich am Sonntag im „Tower“ lauter versprengte End-Zwanziger ein, die es nicht geschafft hatten, ihre Freunde von der Größe des Ereignisses zu überzeugen. Es galt, einem virtuosen amerikanischen Original zu lauschen, das ebensfalls alleine unterwegs war: Eugene Chadbourne.

Kurz nach elf Uhr nahm der gemütliche Lockenkopf auf einem Plastikschemel Platz und schmiß den uralten „Fender“-Verstärker an. Augenblicklich war der „Tower von Kabelbrummen erfüllt, das Publikum erwartungsvoll erstarrt. Seit seinem Wirken bei der kopflastigen Country-Punk-Kombo „Shockabilly“ dekonstruiert Chadbourne die US-Musiktradition von Country bis Blues. Auch wenn es oft wenig erbaulich klingt: Nie fügte dieser Mann Fragmente aus der Popgeschichte ohne Hintergedanken aneinander. Wo wer zitiert wird, ist für ihn ebenso entscheidend wie seine eigenen Beiträge. Dabei spielt Chadbourne auf allem, was Saiten hat, sogar auf einem bespannten Gartenrechen. Das erklärt seinen Ruf, ein ausgezeichneter, aber nur bedingt zurechnungsfähiger Musiker zu sein.

Chadbourne begann auf der Gitarre und mit eigenen Songs. Die klammerten sich an alte Rock'n'Roll-Schemata, wirkten aber durch permanente Lärmattacken wie eine Verhöhnung des traditionellen Songs. Ein uralter Schinken von Gitarre wummerte, kreischte, als Chadbourne mit seinen Fingern über das Griffbrett fuhr, die Saiten dehnte und riß, als wollte er den Instrumentenhals zerquetschen. Der verschmitzte Lärmer kicherte dabei glucksend in sich hinein, als steckten neben den hörbaren musikalischen Finessen noch etliche unhörbare Schelmereien in seinem Wirken. Eine Strophe, dann wieder rasante Ritte über die Tonleitern – vor allem, wenn der kleine Finger mit dem Bottleneck die Saiten traf, fiepte es markerschütternd. Mit seinen penetranten Wiederholungen der immer gleichen, abgedroschenen Licks verballhornte Chadbourne regelrecht die Virtuosität vieler Slide-Gitarrenhelden.

Natürlich liegt da der Verdacht nahe, doch nur einem bekifft muckenden Gernegroß aufzusitzen. Doch Chadbourne ist mehr als nur ein köstlicher Scherzkeks. Zwischen seinen brachialen Saitenattacken ließ er immer wieder technische Finesse aufblitzen. So drehte der Meister auf, fuhr mit einem gelben Spielzeugauto über die Saiten. Dann brachte er eigene, wundervolle Popsongs, garniert mit Ton für Ton nachgespielten Passagen aus Charlie Parkers Saxophonsoli. Die stocksteifen Einzelgänger dankten mit Szeneapplaus.

Nachdem „The Bird“ ausgereizt war, griff der feixende Saitenquäler zum Banjo. Spielerisch baute er zwei rumlungernde Punker, denen das Kunststück gelang, zu Chadbournes wilden Improvisationen zu tanzen, in ein Lied über unartige Jungs ein. „Go brush your teeth, you Punk,“ zeterte der Altmeister und streichelte mit einer Zahnbürste über den Banjohals, daß es quietschte.

Schon bis dahin war der Abend markerschütternd einmalig, Chadbourne seinem Ruf mehr als gerecht geworden. Doch schließlich kramte der ulkige Country-Killer einen mit Saiten und Tonabnehmer bestücktenAbflußpümpel aus dem Seesack. Auch diesen vom unverwüstlichen „Fender“ treu verstärkten und absolut ungenießbaren Krach ließen die Zuschauer über sich ergehen, denn gerade öffnete der „Tower“ langsam die Tore für die anschließende Disco. Mit Stielaugen verfolgten die Neuankömmlinge, wie Chadbourne versuchte, den festgesaugten und grauenhaft lärmenden Abflußpümpel vom Kopf zu streifen.

Die einsamen Konzertbesucher aber grinsten einander an - die verschworene Gemeinschaft derer, die als einzige schon vorher wußten, was cool ist. L.R.