■ Nachschlag
: Parodie auf hoher See: Das Musical "Piraten" im Theater des Westens

Mächtig wölbt sich der Bauch der Galeere, düster dräut das Totenkopfsegel. Der junge Piratenlehrling Frederic hat ausgelernt und strebt nach einer bürgerlichen Existenz. Doch als er gegen die ehemaligen Kumpane zu Felde ziehen will, schlägt das Schicksal zu: Frederic ist am 29. Februar geboren. Es sieht ganz so aus, als müßte er seine Ausbildung in Piraterie noch gute sechzig Jahre fortsetzen – bis zum 21. Geburtstag eben.

Gilberts und Sullivans Erfolgsmusical „Piraten“ von 1879 baut auf völlig absurden Grundlagen hochdramatische Konflikte auf. Voller Edelmut schützen die Piraten Witwen und Waisen – mit der Folge, daß jeder Überfallene sich als Waisenkind ausgibt. Auch Major General Stanley (Ralf Wolter), dessen hübsche Töchter die wilden Gesellen rauben wollen. Der Schwindel zerfleischt das Gewissen des trotteligen Militärs, und nächtens auf dem Friedhof klagt er in Nachthemd und Pantoffeln den Ahnen sein Leid. Die Musik treibt diese Parodie auf melodramatische Opernhandlungen auf die Spitze: Frederics Geliebte Mabel hat grotesk übertriebene Koloraturen zu singen, endlose Tremoli illustrieren die spannenden Momente.

Helmut Baumann hat das Musical in einer amerikanischen Neubearbeitung inszeniert. Das große Orchester wurde durch eine Big Band ersetzt. Das unterstreicht zwar den parodistischen Charakter der Musik (wenn auch teilweise allzu penetrant), geht jedoch auf Kosten der Dynamik. Gegen die dröhnenden Blechbläser können die Sänger sich nicht immer durchsetzen – nur die junge Sopranistin Patricia Nessy als Mabel hat die stimmlichen Fähigkeiten dazu. Optisch ist die Inszenierung makellos: Jede Bewegung der Piraten und der mit rosa Krinolinen ausstaffierten Generalstöchter ist perfekt choreographiert (Jürg Burth), und die feigen Polizisten, die die Piraten festnehmen sollen, führen angstschlotternd ein herrlich tölpelhaftes Ballett auf. Ein burleskes Versteckspiel auf dem Friedhof führt zu einer allgemeinen Prügelei.

Die Verwicklungen scheinen schließlich ganz und gar unlösbar, als die Dea ex machina auf den Plan tritt – die Queen, korrekt lindgrün mit Handtasche kostümiert und einem Akzent wie Miss Sophy: „I declare this finale opened!“ Die Piraten werden in den Adelsstand erhoben, Frederic (Frederik Lycke) kriegt seine Mabel und jeder Jack seine Jill. Das Premierenpublikum klatschte, schrie und trampelte vor Begeisterung. Miriam Hoffmeyer

Dienstags bis samstags 20 Uhr, sonntags 18 Uhr im Theater des Westens, Kantstr. 12, Charlottenburg, Karten unter 8822888