Erst konfisziert, dann verdaddelt

■ Kripo-Mann vor Gericht – wegen Spielsucht Geld unterschlagen

Er wisse nicht, sagt Norbert K. zu Beginn der Verhandlung, was genau er erzählen dürfe und was nicht. Schließlich betreffe seine Aussage auch andere Personen und schwebende Verfahren, eben „Interna“. Er verheddert sich eine kurze Sekunde lang im Buchstaben „t“. Die Sprachbehinderung, sagt der sachverständige Psychiater, sei früher eine wichtige Determinante im Leben des Angeklagten gewesen. Heute stanzt er, von der einen kurzen Ausnahme abgesehen, ackurate Sätze aus einer nahezu lückenlosen Erinnerung. Auch ein Erfolg der Therapie, meint er.

Norbert K. ist Polizeibeamter, zumindest gewesen. Und Spieler, süchtig, seit drei Jahren clean. Zu eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilte das Amtsgericht gestern den 37jährigen wegen Diebstahls, Urkundenfälschung, Betrugs, Verwahrungsbruch. Und irgendwie und vor allem auch wegen Vertrauensbruch. Denn wenn man sich auf die Polizei schon nicht mehr verlassen könne, fragten Richterin und Staatsanwältin und ließen die Antwort offen.

Als „Initialzündung, mich strafbar zu machen“ bezeichnet der Angeklagte die erste günstige Gelegenheit im Juni 1992. Da blieb er ein bißchen länger auf der Revierwache als die Kollegen und beschlagnahmte 2700 Mark noch einmal persönlich. Binnen einer dreiviertel Stunde war das Geld verspielt. Für die 5000 Mark, die er während einer Hausdurchsuchung wenig später aus einem Tresor nahm, brauchte er eine volle Stunde am Daddelautomaten. Ein drittes und ein viertes Mal nahm er kleinere asservierte Summen an sich, um – wie es die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer nennt – seiner Spielleidenschaft frönen zu können.

Er knackte Autos in Parkgaragen, durchsuchte sie nach Schecks und Bargeld und tauschte alles in Fünfmarkstücke und letztlich in nichts. Als unwiderstehlich beschreibt er den Druck, zu spielen und entsprechend Geld zu beschaffen. Und als besonders reizvoll die Tatsache, beim Spielen selbst überhaupt nichts empfunden zu haben. Der Angeklagte komme aus einem wenig gesprächigen, sehr an Normen orientierten Elternhaus, berichtet der Sachverständige. Er sei jemand, der sich anpaßt und Schwäche nicht zeigt. Der Druck, unter dem er – von Kindheit an stotternd – gestanden habe, mußte „irgendwo anders abgeführt werden“.

Keinen Hinweis gebe es für eine psychische Erkrankung des Angeklagten, auch dessen Spielsucht sei keine Krankheit an sich. Als er die Straftaten begangen hat, ist der Psychiater überzeugt, habe er das Unrecht seiner Handlung erkannt. Eine verminderte Steuerungsfähigkeit könne aber dabei nicht ausgeschlossen werden. Im Widerspruch zu seiner hohen Intelligenz habe der Angeklagte so gehandelt.

Eine Therapie hat Norbert K. abgeschlossen, eine Selbsthilfegruppe für Spielsüchtige besucht er weiterhin. Nicht nur das Stottern habe er bewältigt, er könne endlich auch über Gefühle sprechen. Im Gericht erschien er mit hellgrauem Hemd bekleidet, dunkelgrauer Hose mit Bügelfalte, Schuhen in Anthrazit. Auch auf dem Sakko kreuzen dunkelgraue Linien hellere. Kein Stäubchen, keine Knitterfalte. Nur am Saum, hinten rechts und für den Träger nicht sichtbar, hängen zwei lose Fäden. Stefanie Winter