Was immer die Leute wollen

■ Ein Afro-Amerikaner zwischen Anpassung und Kontrolle durch die Erzählung: Douglas Street – Das Chamäleon im Metropolis

„Ich glaube nicht, daß Sie Ihre Taten unter Kontrolle haben,“ doziert ein Gefängnis-Psychologe, „Sie spüren, was eine andere Person benötigt und werden dann zu dem, was sie benötigt.“ Damit scheint das Problem des schwarzen Hochstaplers Douglas Street (Wendell B. Harris) auf den Punkt gebracht, der ohne Grundschulabschluß in der Führungsetage einer Anwaltskanzlei arbeitete.

Diese Charakterisierung bildet den ersten Eindruck von Wendell B. Harris' Regie-Debut Douglas Street – Das Chamäleon (1989), der zu jenen Filmen gehörte, die Ende der 80er Jahre als Teil einer Welle afroamerikanischerIndependent-Filme von Spike Lee oder Mario van Peebles auch in deutsche Kinos kamen.

Und ist nicht mit dem psychologischen Gutachten noch vor den Filmtiteln schon alles über das Chamäleon gesagt? In Rückblenden wird Doug anschließend zum Time-Magazine-Reporter werden oder zum exquisiten Chirurgen mutieren, der ungeübt einen Blinddarm entfernt. Das anfangs erstellte Psychogramm im Kopf lenkt den Blick auf klassische Probleme der Assimilation in den USA. Wie in Woody Allens Zelig geht es auch hier darum, Plätze zu besetzen, die der Minderheit zugeschrieben werden, den Erfolg und das Ansehen als Schwarzer mit der Erfüllung des Anspruchs und auch des Klischees zu bezahlen.

„Ich gebe den Leuten, was sie wollen“, behauptet Doug und bezeichnet sich selbst als „Notorious Negro“. Doch diese Einbettung in das vom weißen Gefängnis-Psychologen ausgerufene Opferdasein will der Film nicht bestätigen: Doug erweist sich als ein Mann, der weiß was er will und wie er es erreicht – die erste Viertelstunde fällt kein anderes Wort so häufig wie „Geld“.

Indem Wendell B. Harris seinen Film in einzelne, abgeschlossene Szenen zerlegt, die zumeist in irgendeinen überraschenden Gag münden, und es allein Douglas Streets'(Wendell B. Harris) sonore Stimme aus dem Off ist, die dem Fragmentarischen den Zusammenhalt bietet, unterstützt er gerade das Gegenteil des Psychologen-Gutachtens: Kontrolle. Über den ironischen Wortwitz des Voice-Over, der in seiner smarten Souveränität an die Helden der Blaxploitation-Filme der 70er erinnert, demonstriert Das Chamäleon die Kontrolle eben jenes „Notorious Negro“. Denn auf mehreren Ebenen zugleich führt Doug durch den Film, sein Leben.

Auch der spielerische Umgang mit Tempo, Zeitlupe, Schnitt oder Überblendung, der viel von Harris' filmischem Talent erzählt, unterstreicht Dougs Überlegenheit, als Erzähler mit seiner Geschichte nach Belieben umzugehen. Mit absurdem Humor und über das Erzählen selbst gewinnt Doug Street wieder einen Teil der Kontrolle über das eigene Leben, die von anderen übernommen schien.

Jan Distelmeyer Metropolis: Di, 25. und Mi, 26. Juni, 21.15 Uhr sowie Do, 27. und So, 30. Juni, 19.30 Uhr