Sexueller Supergau

■ Gamsig, brünstig, dummgeil: Konstantin Wecker ergoß sich im „Pier 2“/ Wenig Soul, viel Jaul

Jawohl, „Kokain“ hat er auch gesungen! Oder besser gekeucht, gehechelt und gegrunzt mit diabolischen Lichteffekten und ganz in schwarz kostümierten Backgroundsängern. Schlimm, schlimm das Ganze! Aber dann war ganz schnell alles wieder bunt und nett auf der Bühne im „Pier 2“, der Chor aus Kamerun sang so richtig schön afrikanisch und Konstantin Wecker spielte weiter seine Lieblingsrolle: den einzigen Deutschen mit Soul.

Das war schon beeindruckend, mit welcher Frechheit der bayerische Liedermacher da die schwarze Musik für sich vereinnahmte.

Wie ein Japaner beim Schuhplattler

Wenn Wecker mit schwarzem Hut auf dem Kopf direkt die „Blues Brothers“ zitierte oder sich gar in eine bayerische Version von „Sitting on the Dock of the Bay“ verstieg, dann wirkte das so absurd wie ein Japaner beim Schuhplattler. „Das ist ein Blues, was ihr hier hört!“ war eine der wenigen Ansagen, die er für nötig hielt. Und sie war ja auch wirklich sehr aufschlußreich. Zeigt sie doch peinlich genau, wie Wecker sein Publikum einschätzt. Denn wem man dies erst erklären muß, dem kann man nun wirklich alles erzählen.

So wurde auch schlichtweg behauptet, Wecker und die Musiker aus Kamerun hätten auf eine musikalisch fruchtbare Weise zueinandergefunden, während sie doch eigentlich ziemlich witzlos aneinander vorbeispielten. Um so emphatischer war dann Weckers Lobgesang auf die Afrikaner: „Euer Gesang ist ein inbrünstiger Herzensschrei.“ Das mußte er unbedingt noch dazusingen, sonst hätte es vielleicht keiner gemerkt.

Allzuviele hat es eh nicht interessiert. Die Halle des „Pier 2“ war nur mäßig gefüllt. Übrigens mit viel mehr Frauen als Männern, und deren schmachtende Blicke zur Bühne ließen dann auch ahnen, worauf es bei einem Weckerkonzert wirklich ankommt. Heißt doch sein neues Album „gamsig“, zu dummdeutsch: geil wie Bock.

Entsprechend ließ Wecker dann auch in seinen Texten keinen Zweifel daran aufkommen, daß er ein g'standenes Mannsbild ist, und die meisten andern nur dumme kleine Kasperln. Er will den „Brüsten einer geilen Frau – verfallen bis zum Supergau!“ Und all den griesgrämigen Kritikern, die in letzter Zeit immer öfter in seinen Texten auftauchen, will er mal ganz alleine von Mann zu Mann gegenüberstehen. Da würde sich dann endgültig zeigen, daß wir alle eh' nur „feige Schweine“ sind.

Dieses selbstherrliche Schwa-dronieren in mindestens jedem zweiten Lied ging einem zunehmend auf den Wecker, während in Textzeilen wie „Staatsanwälte küßt man nicht, das kennt man ja vom Kino“ die Suche nach stilistischen Entgleisungen fast schon wieder Spaß machte.

„Der schwitzt ja gar nicht mehr richtig!“

Musikalisch bot Wecker recht fade Hausmannskost, die auch durch die afrikanischen Einsprengsel nicht feuriger wurde. Denn obwohl die 15 SängerInnen des Chors „Les Voies d'Esperance de Douala“ sich redlich bemühten, fehlte einfach das richtige Konzept, um ihre hymnischen Vokalkünste mit Weckers brünstigem Gesang zu verschmelzen. Die Band mit immerhin vier Bläsern konnte auch nie so richtig zeigen, was sie konnte: Wecker spielte sich immer gnadenlos in den Vordergrund. Selbst den Solisten mußte er regelmäßig beweisen, daß er mit seinen Lippen die Posaune oder das Saxophon noch viel besser imitieren konnte als sie sie spielten.

Selbst die langjährige Wecker-Verehrerin neben mir warirritiert von den bombastischen Bühneneffekten, dem großen Tisch mit teuren Fan-Artikeln und der Tatsache, daß Wecker leider nicht mehr einfach am Klavier saß und sang. Irgendwann ging sie dann kurz an die Bühne und kam zurück mit dem endgültig vernichtenden Urteil: „Der schwitzt ja gar nicht mehr richtig!“ Willy Taub