Bremens Jugend steht vor der Tür

■ Ausbildungsplatz-Not nimmt drastisch zu / Wirtschaft löst Versprechungen nicht ein

Alle Appelle und Ankündigungen der Wirtschaftsverbände haben nichts genützt. Statt der versprochenen fünfprozentigen Erhöhung wird es in diesem Sommer in Bremen lediglich 0,7 Prozent mehr Ausbildungsplätze geben als 1995. Gleichzeitig nimmt aber die Zahl der BewerberInnen um einen Ausbildungsplatz um 12 Prozent zu. Die Folge: 470 BremerInnen werden ganz ohne Ausbildungsplatz bleiben, weitere 500 werden nur in einer staatlich finanzierten berufsvorbereitenden Maßnahme unterkommen. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies eine Ausweitung der Ausbildungsplatznot um fast 20 Prozent. Auch in Bremerhaven werden 250 Jugendliche ganz leer ausgehen und 200 in staatliche Maßnahmen gesteckt. Über politische Folgen dieser vom Arbeitsamt errechneten Zahlen wurde gestern auf einem vom DGB organisierten Fachkongreß in Bremen diskutiert.

„Wir erwarten die Unterstützung des Landes Bremen für eine Bundesratsinitiative, mit der endlich eine Ausbildungsplatz-Abgabe gesetzlich vorgeschrieben werden soll“, sagte der Abteilungsleiter beim IG-Metall-Bundesvorstand, Klaus Heimann. In Nordrhein-Westfalen und Brandenburg sei eine Bundesratsinitiative bereits beschlossene Sache, in weiteren Bundesländern werde zur Zeit darüber beraten. „Offiziell kennen wir keine Bundesratsinitiative“, sagte Arbeitssenator Uwe Beckmeyer gestern dazu. Das Thema stehe deshalb zur Zeit „nicht auf der Tagesordnung“. Stattdessen wiederholte der Senator seinen Appell an die Wirtschaft, freiwillig für die nötigen Ausbildungsplätze zu sorgen.

Zehn Prozent mehr Ausbil-dungsplätze in zwei Jahren hatten die Arbeitgeberverbände im März 1995 bei einer Kanzlerrunde in Bonn angekündigt. Und auch das Bremer „Bündnis für Arbeit“, an dem sich Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Kammern und Senat beteiligen, hat außer Appellen nichts erreicht. Erstmals ist die Ausbildungsquote in Bremen 1995 unter fünf Prozent gefallen, vor fünf Jahren lag sie noch bei sieben Prozent, acht Prozent wären zur Garantie des Rechts auf freie Berufswahl erforderlich, so Heimann. Bremen befinde sich beim Ausbildungsmarkt inzwischen „auf dem Niveau des Ostens“.

Einen massiven Einbruch hat es in diesem Jahr erstmals bei den Ausbildungsplätzen im Handwerk gegeben. Deren Zahl sank um 12 Prozent. „Das Handwerk will nicht länger die Kosten für die Ausbildungsschmarotzer Industrie und Öffentlicher Dienst tragen“, vermutet Heimann. Gerade gegen diese ungerechte Verteilung könnte eine Ausbildungsplatzabgabe wirken. Als tarifvertragliche Regelung gibt es sie bereits im Baugewerbe und einigen Spezialbranchen. Der Erfolg läßt sich an einer Ausbildungsquote von 9,3 Prozent bei den Bremer Bauunternehmen ablesen.

Trotz der Nachfrage hat das Bremer Arbeitsamt zur Zeit noch 1174 unbesetzte Ausbil-dungsplätze in der Kartei, viele davon in unattraktiven Berufen. Ladenhüter sind vor allem Ausbildungen zur Friseurin, im Haushalt und in Gaststätten. Und dann sind da noch 50 freie Plätze in eigentlich begehrten Berufen. Abschreckend wirkt hier offenbar die wirtschaftliche Lage der Unternehmen – Werften des Vulkan-Verbunds in Bremerhaven. Ase