Schwul-lesbischer Familienkrach zum Fest

■ Christopher Street Day: Demo diesmal mit „Schmarotzerblock“

Die Lesben- und Schwulenbewegung ist eine große Familie. Und was wäre eine Familie ohne Familienkrach? Vor allem an Feiertagen sind Streitereien geradezu vorprogrammiert. Kracht es bei den Heteros vorzugsweise an Weihnachten, hängt bei den Lesben und Schwulen pünktlich zum Christopher Street Day der Haussegen schief.

Marschierte die zerstrittene Familie in den letzten Jahren auf zwei oder gleich drei getrennten Demonstrationen, soll es in diesem Jahr einen gemeinsamen Umzug geben – allerdings mit getrennten Kundgebungen. Denn wie in jeder durchschnittlichen Familie gibt es Streit ums Geld. Rund 30.000 Mark haben die drei Demo-Veranstalter – Sonntagsclub, Mann- O-Meter und der Schwulenverband (SVD) – ausgegeben. Neben 18.000 Mark für Öffentlichkeitsarbeit und Werbung fallen auch etwa 6.000 Mark Gema-Gebühren für das Abspielen von Musik an. Das Ansinnen der Veranstalter, von den 60 Gruppen und Projekten, die sich mit ihren Wagen an dem Umzug beteiligen, einen Unkostenbeitrag zu verlangen, löste einen Aufstand aus. Discos und Kneipen sollten 450 Mark beisteuern, alle anderen Wagen 100 Mark. „Keine Gebühren für die Mitspracherechte im Organisationskomitee! Für eine basisdemokratische Vorbereitung des CSD!“ forderten die Dissidenten. „Der CSD gehört nicht den schwulen Spießern!“

Denn der Streit ums Geld war letztlich nur Anlaß, alte politische Differenzen auszutragen. Während die drei Veranstalter sich vor allem für gleiche Rechte für Lesben und Schwule einsetzen, verfolgen die Abtrünnigen weiterreichende Ziele: „Für uns ist das Homo-Paradies auf Erden nicht mit Gleichstellung und Homo-Ehe erreicht“, heißt es in einem Aufruf des FU-Schwulenreferates, der von 27 Gruppen unterstützt wird. Darin schreiben sich die Homos auch den Kampf gegen die Demontage des Sozialstaates auf die Fahnen. In Anspielung auf die Polizeirazzia in der New Yorker Homo-Bar Stonewall, die am 28. Juni 1969 eine Straßenschlacht auslöste, erinnern sie: „Stonewall was a riot.“ Und seit wann werden für Revolten Gebühren verlangt? „Keine Erhebung von Gema-Gebühren“, lautet die systemsprengende Maximalforderung.

Zahlen wollen sie jedenfalls nicht, auch nicht, nachdem die Veranstalter einen Rückzieher gemacht haben. Nur noch die Gruppen, die Musik machen oder Getränke verkaufen, sollen den Obolus bezahlen. Als dann im Streit der Vorwurf fiel, sie seien „Nassauer und Schmarotzer“, hatte der Dissidentenblock seinen Namen gefunden: im „NassauerInnen- und SchmarotzerInnenblock“ werden sich die Zahlungsunwilligen im hinteren Drittel des Umzugs versammeln.

Den Demo-Organisatoren werfen die Dissidenten außerdem vor, sich eine Pressekonferenz vom Forum-Hotel sponsern zu lassen. Das Hotel am Alex ist auf den Index geraten, weil es seine Räume im Frühjahr wissentlich an Scientologen vermietet hatte.

Wenn schon die Gema-Gebühren die Lesben- und Schwulenbewegung spalten, müssen zwei Abschlußkundgebungen her: Die offizielle beginnt um 17 Uhr am August-Bebel-Platz, der Nassauerblock verlegte seine auf den Pariser Platz. Dabei kämpft auch der bürgerliche Block gegen die Gema: Die Gebühren vom letzten Jahr sind noch nicht bezahlt. Notfalls müsse gerichtlich geklärt werden, ob für eine politische Demonstration Gebühren fällig werden. Dorothee Winden

Die Demonstration beginnt am 29. Juni um 11 Uhr am Savignyplatz