Autonomie – nur ein Traum?

Bündnisgrüne diskutieren die gefährdete Hochschulautonomie: An Vorschlägen und Ideen mangelt es nicht, aber am nötigen Geld für deren Verwirklichung  ■ Von Christian Füller

Das wußte schon der alte Wilhelm von Humboldt: daß Universitäten Autonomie besitzen müssen. 1809, als Humboldt dem preußischen König seinen berühmten „Antrag auf die Errichtung der Universität Berlin“ übersandte, hieß das noch Einsamkeit und Freiheit. Die Selbstverwaltung der Unis – bei staatlicher Rechtsaufsicht – durch finanzielle Autonomie war für Humboldt das organisatorische Kernstück seines Bildungskonzepts. So träumten es die preußischen Reformer. Verwirklicht wurde es nie. Auch nicht in jener Berliner Universität, die heute den Namen Humboldts trägt.

187 Jahre von Humboldt und zwei Steinwürfe von seiner Uni entfernt diskutierten die Bündnisgrünen aus gegebenem Anlaß die Autonomiefrage wieder: Seit März hält Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) ein Schwert in der Hand. Mit dem kann er, wie er sagt, in die Universität hineinregieren. Das heißt, Radunski kann Studiengänge auflösen und damit de facto inhaltliche Vorgaben machen. Der dreistündige bündnisgrüne Diskurs darüber läßt sich knapp zusammenfassen: Das Schwert, das Radunski gern und verräterisch Damoklesschwert nennt, ist erstens schädlich. Und zweitens: „Schnelle Lösungen sind nicht zu erwarten.“ So resümierte der Studiensekretär an der TU, Bernd Fick, die Frage, wie man Autonomie sichern kann, ohne Universitäten zu finanziell und gesellschaftlich völlig abgekoppelten Elfenbeintürmen zu machen.

Barbara Riedmüller-Seel (SPD), der universitäre (grünennahe) Medienguru Michael Daxner von der Uni Oldenburg, Universitätskanzler Alfred Klein aus Potsdam und der Bündnisgrüne Bernd Fick – jede und jeder hatte eine Idee von der Autonomie. Schade nur, daß sich komplexe Organisationsmodelle weder vermitteln noch gar verwirklichen lassen, wenn die Staatskasse die Schwindsucht hat. Am ehesten noch der schlechteste Vorschlag: der einer fusionierten Uni Berlin-Brandenburg. Dieses Mammut von einem Floh hat ein Gutachter Frau Riedmüller ins Ohr gesetzt, als sie noch Wissenschaftssenatorin war. Und weil eine Universität in der Region statt sechsen so schön übersichtlich ist, hat auch ihr späterer Nachfolger Radunski das Gutachten wieder aus der Schublade gezogen. Das wär' doch was: morgens das Proseminar in Frankfurt (Oder), mittags in die leckere Dahlemer FU-Mensa und abends noch schnell zu einer Vorlesung nach Potsdam. Reisen bildet.

Lustig war es bei den Bündnisgrünen trotzdem. Daxner, der Wiener, zitierte Maryland- und California-Modelle herbei. Klein zog es nach Australien. Und Frau Riedmüller verriet, wieso die Berliner Kuratorialverfassung noch nie funktioniert hat, wiewohl sie doch anerkanntermaßen die autonomste Uni in der Bundesrepublik ermöglichen könnte: „Weil die Staatsseite sowieso macht, was sie will.“ Im Kuratorium treffen sich also – so das Modell – Vertreter der Uni und des Staates, es kommen gesellschaftliche Gruppen hinzu, Abgeordnete – und wer regiert? „Die mittlere Staatsbürokratie“ aus den Ressorts für Finanzen und Inneres (Klein). „Die eigentlichen Präsidenten der Universitäten sind sowieso Herr N. und Herr H. aus der Wissenschaftsverwaltung“, ergänzte ein Diskutant. Die Autonomie, eine Farce! Wir haben es immer gewußt. Inzwischen wird die Erkenntnis offen im Roten Rathaus ausgesprochen. Leider in der falschen Etage.

Ach ja, Studenten. Die waren montagsdemonstrieren, einige auch anwesend: Das Verfassungsgerichtsurteil von 1973 habe ihresgleichen aus den Gremien und damit von der Demokratie ausgeschlossen. Im Minderheitenvotum von damals findet sich die Antwort auf die Frage, wieso nur Professoren, Bürokratie und Politik an der Kuratorialdemokratie teilnehmen. Der De-facto-Ausschluß der Studierenden leiste einer gefährlichen Politikverdrossenheit Vorschub. Wer wolle, daß Studenten sich beteiligen, müsse ihnen demokratische Rechte zugestehen.