Clickin' My Way Back To You

Eigentlich wollte sie nur auf der „zak“-Page die Gummipuppen anschauen, den verknautschten Mr. Tagesthemen – und Nobbie Blüm, der ständig von Helmut eins draufkriegt. Aber „zak“ hat auch eine Seite mit Hot Spots, ein Verzeichnis bundesdeutscher Festplatten, die politisch und sonstwie relevant sind. Gaby wurde neugierig und klickte auf die taz, schließlich liest sie jeden Donnerstag den Ladies Almanach, und auf der Internet-Seite gleich nebenan schreibt immer einer, dessen Name ihr verdammt bekannt vorkommt. Und so nahm das Schicksal seinen Lauf.

Vor ein paar Tagen bekam ich Mail. Mail von Gaby aus Iserlohn. „Hey, wo hast Du all die Jahre gesteckt? Dein letzter Brief kam im Februar 67, da wolltest Du Dich gerade auf den Weg nach Indien machen...“ Ich habe nur einen ganz kurzen Augenblick gebraucht, um zu begreifen, wer das ist. Das mit Indien stimmt ja, allerdings bin ich bereits in Marseille hängengeblieben – irgendwie war das die falsche Richtung. Natürlich kann ich mich an Gaby erinnern, an goldene Locken und zärtliche Briefe. Wir waren in dem zarten Alter, wo sich Menschen noch so richtig mit Schluchz und Schmerz ineinander verlieben können. Gaby machte zu dieser Zeit irgendeine Ausbildung im fernen Iserlohn; ich fotografierte

und schrieb für das Provinzblättchen über Drillinge im Kuhstall und den Aufstieg in die Oberliga. So konnten wir uns nur selten sehen, dafür schrieben wir duftende Briefe auf buntem Papier. Die Beatles hatten gerade Sgt. Pepper gemacht, als ich nach meinen Exkursionen in die Stadt zog und Gaby in den Wirren der 68er aus den Augen verlor.

Heute ist alles ganz anders, und ich bin ziemlich sicher, daß ich jedes Stückchen Lebenserfahrung mit einem großen Stück meiner Tagträume bezahlen mußte. Deshalb habe ich Gabys Mail auch als richtig großes Ereignis gefeiert; der allerersten Jugendliebe nach fast dreißig Jahren im Internet wiederzubegegnen, ist schon etwas ganz Besonderes. Sie hat einfach auf meine Homepage geklickt und mich gleich erkannt, obwohl ich mich deutlich verändert habe. Unglaublich, aber wahr. Inzwischen sind schon ein paar Mails hin- und hergegangen, und heute war ich mutig: Ich hab' sie einfach angerufen. Kein verkrampftes „Was machste denn jetzt so?“ und auch kein verlegenes Schweigen. Im Gegenteil: Wir haben gemeinsame Erinnerungen an pränetscapeianische Zeiten aufgefrischt und uns über tausend andere Themen die Ohren abgekaut. Mal sehen, vielleicht schalte ich an einem sonnigen Wochenende einfach das Modem aus und fahre nach Iserlohn...