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Die „dummen Fehler“ werden dümmer

Weil Bob Dole dem US-Präsidenten Clinton im Wahlkampf kaum Schaden zufügen kann, macht es der Amtsinhaber nun selber: Die diversen Clinton-Skandale kochen alle gleichzeitig hoch  ■ Von Andrea Böhm

Washington (taz) – Daß ihm ausgerechnet sein Gegner so schnell aus dem Tief helfen würde, hatte Bob Dole wohl selbst nicht erwartet. Knapp fünf Monate vor den US-Präsidentschaftswahlen muß sich die Clinton-Administration gegen massive Vorwürfe verteidigen. Die zum Reflex gewordene Angewohnheit der Presse, jede Affäre im Umfeld des Weißen Hauses mit dem Zusatz „-gate“ zu versehen und damit in die Nähe von Nixons „Watergate“-Skandal zu rücken, macht die Sache nicht einfacher. „Whitewatergate“, „Travelgate“ und „Filegate“ heißen die Skandale und Skandälchen, die derzeit in der US-Öffentlichkeit den Ruf des Präsidentenpaares als halbseidene Geschäftsleute und skrupellose Wahlkämpfer begründen.

Zu einem wahren Skandal hat sich in den letzten Tagen die Affäre um über 400 streng vertrauliche FBI-Akten über Angestellte des Weißen Hauses sowie führende Persönlichkeiten der Republikaner entwickelt. Die Akten waren 1993 und 1994 vom „White House Office of Personnel Security“ angefordert worden – nach offizieller Darstellung, um die vorgeschriebene Sicherheitsüberprüfung all jener durchzuführen, die Zugang zum Weißen Haus haben. Daß sich auf der Liste auch die Namen von George Bushs ehemaligem Pressesprecher Marlin Fitzwater, seinem Außenminister James Baker sowie Newt Gingrichs Pressesprecher Tony Blankley befanden, ist nach Darstellung der Clinton-Administration Schuld des Geheimdienstes, der veraltete Listen übergeben habe. Vertreter der Republikaner hingegen warfen der Regierung vor, eine „schwarze Liste“ politischer Gegner für Schmutzkampagnen im Wahlkampf aufgestellt und das FBI dazu mißbraucht zu haben, vertrauliche Informationen herauszugeben.

Während die Clinton-Administration den Vorfall als „dummen Fehler“ zweier subalterner Mitarbeiter entschuldigte, erhob FBI- Direktor Louis Freeh schwere Vorwürfe gegen das Weiße Haus. Freeh entschuldigte sich dafür, daß seine Behörde die Akten herausgerückt hatte, ohne Fragen zu stellen. „Doch das FBI hat sich in der Vergangenheit auf die Integrität und Ehrbarkeit des Weißen Hauses verlassen. Leider sind meine Behörde und ich in diesem Fall Opfer geworden.“

Bill Clintons Stab wird nun einem Ermittler des US-Justizministeriums erklären müssen, warum zwei seiner Mitarbeiter nach Belieben FBI-Akten über andere Leute einsammeln können. Auch wenn sich der Vorfall als bürokratische Idiotie herausstellen sollte, schreibt das Nachrichtenmagazin Time, bleibt der Verdacht, daß „hier ein Präsident die Kompetenzen der wichtigsten Polizeibehörde des Landes für politische Zwecke einsetzt“.

Den größten Schatten wirft nach wie vor „Whitewatergate“ – jene Affäre um Grundstücksspekulationen der Clintons in den achtziger Jahren in Arkansas sowie Hillary Clintons Tätigkeit als Anwältin für ihren Geschäftspartner James McDougal und dessen Bank „Madison Guaranty Savings and Loans“. Die republikanischen Mitglieder des „Whitewater“-Untersuchungsausschusses im US-Senat beschuldigten die „First Lady“ in einem 800 Seiten langen Abschlußbericht am Dienstag, alles unternommen zu haben, um ihre Verwicklung in den gescheiterten Grundstücksdeal zu vertuschen. Unter anderem habe Hillary nach dem Selbstmord ihres Vertrauten und stellvertretenden Justitiars im Weißen Haus, Vincent Foster, belastendes Aktenmaterial aus Fosters Büro abtransportieren lassen. In dem Büro waren nicht nur „Whitewater“-Unterlagen, sondern nach Darstellung der Republikaner auch Akten über die „Travelgate“-Affäre von 1993, als mehrere Mitarbeiter des regierungsinternen Reisebüros gefeuert und durch Geschäftsfreunde der Clintons ersetzt wurden.

Die Hoffnung der Clintons, alte Sünden aus Arkansas würde man im Wahlkampf 1996 als schäbige Manöver des politischen Gegners abhaken können, sind damit endgültig dahin. Ihre ehemaligen „Whitewater“-Geschäftspartner wurden erst vor kurzem in Arkansas wegen Betrugs und anderer illegaler Finanztransaktionen verurteilt. Demnächst wird auch der Prozeß gegen zwei Bankiers aus Arkansas eröffnet, die illegale Spenden für Bill Clintons Gouverneurswahlkampf getätigt haben sollen. Niemand konnte bislang den Clintons nachweisen, von solchen Handlungen gewußt oder selbst illegal gehandelt zu haben. Aber gerade weil die juristischen Hintergründe so kompliziert sind, verschwimmen hier die Grenzen zwischen Strafrecht, Zivilrecht und politischem Sumpf.

Das freut Bob Dole. Sein eigenes Finanzgebaren war im Verlauf seiner Karriere alles andere als vorbildhaft. Doch nun ist sein Rückstand zu Bill Clinton in den Meinungsumfragen auf nur noch sechs Prozentpunkte geschrumpft.

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