■ Mit den Genressourcen auf du und du
: Das grüne Gold

Leipzig (taz) – Die in Rio de Janeiro 1992 verabschiedete Konvention zur biologischen Vielfalt hat die Welt der Saatgutzüchter und Pharmaunternehmen durcheinandergewirbelt. Jahrzehntelang hatten sie kostenlosen Zugriff auf die pflanzengenetischen Ressourcen in aller Welt. Seit in Rio verbindlich festgelegt wurde, daß die biologische Vielfalt der Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen unter die Souveränität der jeweiligen Staaten fällt, greifen immer mehr Staaten zur Selbsthilfe, um den Genraub zu verhindern. Sie wollen bei einer späteren Vermarktung ihrer heimischen Vielfalt nicht mehr leer ausgehen. Äthiopien, das eine besonders hohe Vielfalt unter anderem an Gerste, Weizen und Bohnen vorweisen kann, hat die Ausfuhr seiner genetischen Ressourcen schlicht untersagt. Einen kostenlosen Zugriff der Saatgut- und Pharmaindustrie auf die Pflanzenwelt Äthiopiens wird es nicht mehr geben.

Die thailändische Regierung legte vor kurzem einen Gesetzesentwurf vor, um Heilpflanzen vor dem Zugriff der Pharmakonzerne zu schützen. Schon in den 80er Jahren hatten Ethnobotaniker der japanischen Pharmafirma Sung Kyo die thailändischen Urwälder durchstreift und die Bewohner nach traditionellen Pflanzenmedikamenten befragt. Mit Erfolg: Aus der in Thailand heimischen Pflanze Plaw Noi isolierten sie einen Wirkstoff, den Sung Koy sich als Medikament gegen Magengeschwüre patentieren ließ. Die thailändische Regierung stellt derzeit eine Liste mit rund 10.000 Tier- und Pflanzenarten zusammen, die künftig von ausländischen Firmen nicht mehr patentiert werden dürfen. Vorgesehen ist, daß nur Einheimische oder Dorfgemeinschaften, die das jahrhundertealte Wissen über die Pflanzenwirkung bewahrt haben, selbst von den Patenten profitieren.

Auch Indien hat die Absicht, demnächst seine Grenzen für die heimische Vielfalt dicht zu machen. Für ein Novum sorgte dort vor wenigen Wochen erst ein Gerichtsurteil, das eine indische Pharmafirma dazu verurteilte, eine regionale Volksgruppe an dem Umsatz eines Medikaments zu beteiligen. Bei der Entwicklung des Arzneimittels nutzte das Unternehmen die Kenntnisse der Bevölkerung über traditionelle Medizin.

Der jährliche Umsatz mit Saatgut allein in den OECD- Ländern wird von der FAO mit 13 Milliarden US-Dollar angegeben. Noch weitaus profitabler ist das Geschäft mit den Medizinpflanzen: Die in Kanada beheimatete Internationale Stiftung für die Förderung ländlicher Räume (Rafi) gibt an, daß „mehr als 25 Prozent des weltweiten Pharmamarktes – 1996 schätzungsweise 270 Milliarden US-Dollar – von Arzneimitteln kommt, die aus Pflanzen gewonnen werden“. Diese Zahlen zeigen, daß mit einer reichhaltigen biologischen Vielfalt ausgestattete Staaten durchaus etwas einzusetzen haben bei dem Poker ums grüne Gold. Wolfgang Löhr