Der lange Schlaf des Vulkan ist vorbei

Bundeskriminalamt durchsucht 29 Büros des Bremer Vulkan und Privatwohnungen. Bundesrechnungshof: 500 Millionen Mark Subventionen vor Vertragsabschluß gezahlt  ■ Von Ulrike Fokken

Berlin (taz) – Der Bremer Vulkan ist erloschen, aber noch immer quillt stinkende Lava aus seinen Resten. Die Bremer Staatsanwaltschaft hat gestern die Büros des Vulkan und die Wohnung des ehemaligen Vorstandschefs Friedrich Hennemann durchsucht. In 29 Objekten in Bremen, Stralsund und Wismar suchten Polizei und Staatsanwaltschaft nach Beweismaterial für die vermutete Veruntreuung von mindestens 700 Millionen Mark Steuergeld.

Der Bundesrechnungshof hatte die gescheiterte Privatisierung der Ostseewerften und die dafür mitverantwortliche Treuhand und deren Nachfolgerin BvS kürzlich untersucht. Fazit der Prüfer: Die Treuhand hat sich 1993 vom Vulkan über den Tisch ziehen lassen. „Die Erfolgsstory der deutschen Wiedervereinigung sollte nicht getrübt werden“, sagt Harald Ringstorff, ehemals Wirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, zur taz.

Die Treuhand habe keine eigenen Kontrollbefugnisse über den Verbleib der insgesamt 3,47 Milliarden Mark beim Vulkan gehabt, schreibt der Bundesrechnungshof. Das Westunternehmen habe der staatlichen Privatisierungsanstalt nicht einmal verbindliche Nachweispflichten zugestanden. Die zugesicherten Investitionen an den Oststandorten sollten bereits als erbracht gelten, sobald sie bestellt waren, nicht jedoch gebaut.

Treuhand und später BvS hakten so Punkt für Punkt des Vertrages ab und bescheinigten dem Bremer Vulkan die ordnungsgemäße Verwendung der Steuermilliarden. Ein Großteil war längst in den Finanzlöchern des Vulkan verschwunden. Aus den Subventionsmilliarden bezog der Vulkan 220 Millionen Mark Zinsen. „Die BvS trägt eine wesentliche Schuld – das ist jetzt eindeutig bestätigt“, sagte Ringstorff.

Die Treuhandanstalt hatte es 1992/93 eilig, die unproduktiven und nicht wettbewerbsfähigen Sorgenkinder loszuwerden. Meerestechnik Werft Wismar, das Dieselmotorenwerk Rostock, die Neptun Industrie Rostock und die Volkswerft Stralsund arbeiteten unproduktiv und waren mit ihren Produkten nicht wettbewerbsfähig. Der Vulkan bekam alle Betriebe für 1,25 Millionen Mark. Insgesamt 3,47 Milliarden Mark Subventionen gewährte die Treuhand.

Die BvS windet sich. Hätte sie damals auf die Nachweispflicht bestanden, „hätte [dies, d. Red.] möglicherweise zum auch politisch nicht gewollten Scheitern der Privatisierung geführt“. Auch das Bonner Finanzministerium hat auf Kontrollrechte verzichtet, „da andernfalls die Privatisierung gescheitert wäre“.

So zahlte die Treuhand bereits vor Genehmigung des Vertrages mit dem Vulkan am 12.7. 93 knapp 500 Millionen Mark an ihn für die Volkswerft Stralsund. Die BvS konnte auch das erklären: Die Verträge hätten „nach allseitigem Verständnis unter den ungünstigen Umständen des Privatisierungsauftrages für Unternehmen in einer Krisenbranche ein ... zu akzeptierendes Ergebnis dargestellt.“