Neß-Prozeß: Zarter Klaps für harte Polizeischläge

■ Im Prozeß um Mißhandlung von Oliver Neß plädiert Staatsanwalt auf Geldstrafe

Hamburg (taz) – Das Plädoyer von Staatsanwalt Martin Slotty im spektakulärsten Prozeß des Hamburger Polizeiskandals gestern vor dem Landgericht fiel milde aus: Kein Vorsatz, sondern nur Unverhältnismäßigkeit und Fahrlässigkeit sei den beiden angeklagten Polizisten Olaf A. (25) und Oliver H. (29) nachzuweisen. Wegen Körperverletzung im Amt zum Schaden des ARD-Journalisten Oliver Neß (29) während der Kundgebung des österreichischen Rechtsaußen Jörg Haider im Mai 1994 müssen sich die beiden Beamten vor Gericht verantworten.

Mit einer Geldstrafe von 9.600 Mark (120 Tagessätze) soll Olaf A. nach dem Willen der Staatsanwaltschaft dafür büßen, daß er den polizeikritischen Journalisten mit einem Schlagstock vor sich her trieb und ihn mit dieser „gefährlichen Waffe“ schlug. Für den doppelten Bänderriß am Fuß, der dem hilf- und wehrlos am Boden liegenden Neß zugefügt wurde, soll der Beamte Oliver H. mit einer Geldstrafe von 12.000 Mark (150 Tagessätze) bestraft werden.

Nebenkläger Oliver Neß, der seine Mißhandlung für einen Racheakt der Polizei hält – schon einmal wurde er Polizeiopfer und erreichte eine Verurteilung –, war das Strafmaß entschieden zu wenig. Die Polizeizeugen hätten außerdem während des Prozesses mit „Schweigen und Mauern“ alles getan, so die Nebenklage, um Aufklärung zu vereiteln. Neß wurde als „Rädelsführer“ und „Aufwiegler“ hingestellt. Die Verteidigung plädierte erwartungsgemäß auf Freispruch. Beide Beamte hätten nicht davon ausgehen können, daß die versuchte Festnahme unrechtmäßig war. Die „Täterschaft“ des Fußverdrehers Oliver H. sei außerdem nicht eindeutig bewiesen. Neß hätte den Bänderriß möglicherweise schon vorher gehabt und ihn der Polizei „anhängen“ wollen. Das Urteil wird kommenden Mittwoch verkündet. Silke Mertins