Neulich beim Kabarettfestival

Direkt von der öffentlich-rechtlichen EM-Verulkung aus Manchester jettete Kabarettist Dieter Nuhr nach Hamburg. Es blieb ihm kaum Zeit seinen Text auswendig zu lernen, sagte er. Und viel lieber würde er Deutschland-Italien sehen. Kompromißbereit laberte er los, warf all das ab, was ihn seit Jahren peinigt. In seinem zweiten Soloprogramm Nuhr weiter so stolpert er hölzern von Kindern, die geil auf Steckdosen sind, zu steuerbeflissenen Zahnärzten und kochbaren Hündchen.

Hier wurde nicht seziert, hier wurde beschrieben. Der notorische Nörgler deutete an, sprang von ideologischen Hirngespinsten zu mentalen Müllbergen, aber reizte nicht aus. Irgendwie alles einte des Rheinländers dialektfreies Programm unter seinem Lieblingssatz: „Das muß man sich mal vorstellen“.

In einer völlig durchtechnisierten Welt ist natürlich neben dem Kabelwust unter der Couch und den Millionen schwarzen Klötzen auf den Steckerleisten vieles vorstellbar. Wenn schon Kants Imperativ zum Klospruch verkommt: „Verlassen Sie diesen Ort, wie sie ihn vorzufinden wünschen“, dann ist der weitsichtige Schluß von der Weltscheibe auf die Kugel auf die Benutzeroberfläche nicht fern.

Nuhr redete sich heiß, konnte kaum abkühlen. Ein hysterisches Kichern rechts hinter mir zeigte mir, daß ich eigentlich lachen, wenigstens schmunzeln müßte. Aber Nuhr erzählt wenig Neues. Abgestandene Pointen tummelten sich mit rhetorischen Fragen auf der schwarzen Bühne. Nuhr redete wie jemand, den man in der Supermarkt-Schlange trifft und der sich erleichtert, in einem schier unerschöpflichen Wortreigen allgemeingehaltene Plätze über einen ergießt.

Wenn er sich nicht durchgehend richtig scharf zeigte, hin und wieder knallten doch direktsitzende Pointen dem Publikum um die Ohren. Dann sind sie wie Knallfrösche: laut, aber flüchtig. Hauptsache diesem Publikum gefällt's. Applaus für Nuhr und seine spaßigen Banalitäten ohne großen subtilen Witz.

Britt-Kristin Feldmann