Von Hamburgs Insel frisch auf den Tisch

■ Gemüseanbau: Kaum Pestizide auf Tomaten und Gurken, dafür auf dem Salat Von Vera Stadie

Gemüseanbau in Hamburg? Das gibt's. 535 Gartenbaubetriebe in der Stadt produzieren fast alles von Broccoli bis Wirsingkohl. Wie der Familienbetrieb von Jonny Beckedorf in Moorwerder. Auf „Der Insel“, wie die Wilhelmsburger sagen, ist Hochsaison. Die Gärtner und Landwirte arbeiten vom Morgengrauen bis Sonnenuntergang. Salatköpfe stehen in roten und grünen Reihen, daneben gedeihen Blumenkohl, Kohlrabi, Sellerie und Rettich. In Beckedorfs Gewächshäusern sind Gurken und Tomaten reif.

Die saftigen Früchte kann man ohne Bedenken ungewaschen und ungeschält direkt vom Strauch essen, denn gespritzt wird bei Beckedorf nicht, zumindest nicht beim Unterglasanbau. Der Landwirt, der nach den Richtlinien des Integrierten Anbaus wirtschaftet, setzt im Gewächshaus voll auf Nützlinge: Für die biologische Schädlingsbekämpfung sind Raubmilben, Florfliegen oder Schlupfwespen zuständig.

Da hängen also die ungespritzten Tomaten und Gurken sozusagen vor der Haustür. Aber trotzdem kommen Hamburger VerbraucherInnen, die nicht auf dem Wochenmarkt oder vor Ort direkt beim Gemüsebauern kaufen können, nur schwer an die giftfreie Ware. Denn den Großteil ihrer Ernte vermarkten Beckedorf und seine Nachbarn in den Vier- und Marschlanden über den Großmarkt. Von dort wandern ihre ungespritzten Gurken in die Hamburger Supermärkte und Lebensmittelläden, wo sie ungekennzeichnet Schale an Schale mit chemisch behandeltem Gemüse liegen. „Wir kommen beim Verbraucher nicht an“, beklagt sich Jörn Schmidt, Gärtnermeister aus Oortkaten, der ebenfalls nach den Richtlinien des Integrierten Anbaus arbeitet und in seinen Gewächshäusern auch schon seit Jahren keine Pestizide mehr verwendet.

Im Gegensatz zum Biolandbau verzichtet der „Integrierte Anbau“ nicht grundsätzlich auf chemische Düngung und Pestizide. Chemisch gedüngt werde nur „soviel wie nötig“ und Pflanzenschutzmittel würden erst dann eingesetzt, „wenn biologische Schädlingsbekämpfung nicht mehr möglich ist“, erklärt Hans-Peter Pohl von der Landwirtschaftskammer. Darum ist der Moorwerder Salat, im Gegensatz zum Gewächshausgemüse, gespritzt. Denn gegen die Blattläuse im Freiland richten die „integrierten“ Gemüsebauern ohne chemische Keule nichts aus.

Trotzdem sei Hamburger Salat den Importwaren vorzuziehen, erklärt der Ernährungsberater Jörg Alsfeld von der Verbraucherzentrale. Er empfiehlt Obst und Gemüse nur aus der Region und zur jeweiligen Saison zu kaufen, dann seien die Schadstoffgehalte am geringsten, weil die einheimischen Erzeugnisse nicht für lange Transporte chemisch konserviert werden müssen und die Nährstoffgehalte am höchsten, weil die Ware taufrisch auf den Tisch kommt.