Funkchef auf der Kippe

■ Grummeln im Radio-Bremen-Rundfunkrat: Stelle von Hermann Vinke soll neu ausgeschrieben werden

Hermann Vinke, Hörfunkchef von Radio Bremen, hat heute möglicherweise einen turbulenten Tag vor sich. Heute nachmittag sitzt nämlich der Rundfunkrat des Senders beisammen, und auf der Tagesordnung steht das berufliche Schicksal Vinkes, allerdings verklausuliert: „Verfahren zur Wahl des Hörfunk-Programmdirektors“. Dahinter verbirgt sich die Frage, ob Vinke, dessen Vertrag turnusgemäß ausläuft, dem Sender automatisch erhalten bleibt – oder ob die Stelle ausgeschrieben werden soll. Eine Ausschreibung, das ist allen Beteiligten klar, käme einem Mißtrauensvotum gleich. Mittlerweile gibt es einen Antrag, der genau das fordert, und im Rundfunkrat wie im Sender selbst mehren sich die Stimmen, daß genau so verfahren werden soll.

Im Jahre 1990 hatte der Rundfunkrat beschlossen, daß solche Stellen grundsätzlich ausgeschrieben werden müssen – in Ausnahmefällen könne aber davon abgewichen werden. Das ist genau das Einfallstor für die Vinke-KritikerInnen, über den Hörfunkchef abzustimmen, ohne über ihn reden zu müssen. Der Rundfunkrat sollte sich an sein Prinzip halten, heißt es nun auch in einem Antrag von Bruno Wohlfahrt, der für den Christlichen Gewerkschaftsbund im Rundfunkrat sitzt. Die Ausnahmeklausel solle abgeschafft werden.

Die Schar der KritikerInnen Vinkes ist dabei ziemlich bunt. Zum einen wird nach den letzten HörerInnenanalysen die Nervosität im Sender selbst und in allen Gremien immer größer, ob der HörerInnenschwund mit Vinke noch aufzuhalten sei. Diese Skepsis wird querbeet in allen politischen Lagern ausgesprochen. Sie äußert sich unter anderem in einer Pressemitteilung des Deutschen Journalisten Verbandes. Der besteht auf einer Ausschreibung, treibende Kraft bei dem Beschluß sollen Radio-Bremen-MitarbeiterInnen gewesen sein.

Zum anderen, und da verschränken sich inhaltlich begründete Skepsis und Politik, gilt Vinke als Kandidat des SPD-Flügels, und das mobilisiert den Widerstand der CDU. Die hat in den letzten Wochen ohnehin die Oberhand in den Sendergremien gewonnen. Erst hatte sich die ehemalige CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Roswitha Erlenwein bei der Wahl zum Rundfunkratsvorsitz gegen den bisherigen Vorsitzenden Heinz Möller, Chef der Arbeiterkammer und Kandidat der SPD, durchgesetzt. Und diese Tendenz hat sich in den letzten Wochen fortgesetzt. Die Posten der Ausschuß-Vorsitzenden im Sender sind allesamt von CDU- oder CDU-nahen Rundfunkratsmitgliedern erobert worden, an der Spitze die Bürgerschaftsabgeordnete Elisabeth Motschmann, die – extrem staatsfern – zur Chefin des Ausschusses für Politik und Zeitgeschehen gewählt wurde.

Nach Jahrzehnten der SPD-Vorherrschaft eine Revolution - entsprechend ist die Stimmung im Sender: „Die CDU hat einen echten Durchmarsch gemacht. Wir warten gespannt ab.“ J.G.