■ PR-Tour: Der Papst kommt nach Deutschland: Popestock statt Woodstock
Der Papst reist in Deutschland ein – und zwar so ähnlich wie Zarin Katharina die Große in die Dörfer, die Fürst Potemkin für sie errichtet hatte. Überall meint er, Zehntausende von einheimischen Gläubigen zu sehen – selbst in der Diaspora Berlin, wo die Katholiken (mit gut einem Zehntel) eine bescheidene Minderheit sind. Der Papst wird den Herrn lobpreisen, daß er ihm soviel Erfolg für seine Missionstätigkeit geschenkt hat. Dabei müßte er das Gehalt seiner Public-Relations-Abteilung erhöhen.
Denn sie wird ihm bescheren, was die Katholiken in Berlin, seit ehedem und traditionell eine Hochburg des Protestantismus, allein nicht fertigbringen und fertigbringen wollen: nämlich ein volles Haus im Olympiastadion. Von den hundertdreißigtausend Anmeldungen, die bisher eingegangen sind, kamen zwanzigtausend aus Bayern, dreißigtausend aus Polen. Und auch auf diese ist religös noch lange kein Verlaß. Viele von ihnen reisen zum Heiligen Vater, weil er ein Ereignis ist. Popestock statt Woodstock.
Aller Reisefreudigkeit zum Trotz – kein Papst vor Johannes Paul dem Zweiten hat die katholische Kirche in eine so tiefe Krise gesteuert wie er. Verdeckt wird dies durch die Medienabteilung des Vatikans. Sie hat perfekte Fassaden und grandiose Kulissen geschaffen. Die Menschen laufen in seine Freiluftgottesdienste, nicht weil er die Kirche präsentiert, sondern weil er ein Papst zum Anfassen ist. Zum Anfassen scheint! Inszeniert wird er wie ein Rockstar. Unten das ferngesteuerte Fußvolk, oben der Star, der seinen Anhängern mit Hilfe riesiger Videoleinwände und Lautsprechertürme nahe gebracht wird. Der Papst ist ein Medienereignis, ein Event, mit allen von ihm abgesegneten Erscheinungen rundum. T-Shirts (18,50 Mark) und Trinkbecher mit seinem Portrait (11,50 Mark), „Papst-Watches in limitierter Auflage (89 Mark), Leinentaschen und Sonnenhüte (8,50 Mark) mit dem Aufdruck „Danke“, Regenschirme (15 Mark) und Luftbildfotos (die sind für Teilnehmer der „familiy-camps“ umsonst): Der Papst bietet Kommerz und Unterhaltung. Deshalb strömen die Massen.
Der Papst selbst nennt diesen Rummel „Neue Evangelisation“. Aber es ist eine mit dem Düsenflieger. Eine, die mehr scheint, als sie ist. Abgehoben, gewissermaßen. Anita Kugler
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