Kopfzerbrechen über Israel

Netanjahu hat geschafft, was unmöglich schien: Sechs Jahre nach dem Golfkrieg treffen sich die arabischen Staatschefs zum Gipfel  ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary

Die Lage ist ernst“, faßt ein arabischer Diplomat vor dem am Wochenende in Kairo stattfindenden arabischen Gipfel die Stimmung in den arabischen Hauptstädten zusammen. Der Grund: die Wahl Benjamin Netanjahus zum israelischen Ministerpräsidenten. Der Chef des rechten Likud-Blocks an der Spitze Israels ist für die meisten arabischen Regenten der Ernstfall.

Von den eigentlich anstehenden Endverhandlungen zwischen der israelischen Regierung und der PLO ist jetzt nicht mehr viel zu erwarten. Die Rückgabe des israelisch besetzten Golan an Syrien steht in den Sternen und im israelisch besetzten Südlibanon tobt ein Kleinkrieg zwischen der israelischen Armee und der islamistischen Hisbollah. Hinzu kommt ein im März abgeschlossenes Militärabkommen zwischen Israel und der Türkei. Daß israelische Militärjets nun im türkischen Luftraum trainieren und türkische Piloten in Israel ausgebildet werden, bereitet nicht nur in Damaskus Kopfzerbrechen.

Netanjahus wenig versöhnliche Rhetorik macht möglich, was seit dem irakischen Einmarsch in Kuwait vor sechs Jahren ausgeschlossen schien. In Kairo werden erstmals wieder fast alle arabischen Staatschefs zusammentreffen. „Wir stehen vor einem Wendepunkt“, meint ein arabischer Diplomat. Gefragt sei jetzt „ein Minimum an arabischer Koordination gegenüber dem Friedensprozeß.“

Doch selbst bei einem Maximum an Koordination bleibt die Frage offen, wie die arabischen Staaten auf ein Ende des Friedensprozesses antworten können. Die meisten Karten sind bereits ausgespielt. Bleibt nur, den Prozess der Normalisierung der Beziehungen mit Israel zu verzögern oder gar einzufrieren. Doch selbst ein solcher Schritt dürfte sich in Kairo nicht als allzu einfach erweisen. Schließlich möchte niemand als Friedensfeind gebrandmarkt werden.

Aber ein derartiges Maximum an Koordination ist ohnehin hypothetisch. Es gilt vor allem, den jordanischen König Hussein im Zaum zu halten. Jordanien ist spätestens seit dem 1994 unterzeichneten Friedensvertrag mit Israel dessen engster Freund in der Region. Die Partnerschaft macht auch vor Netanjahu nicht halt. Der Haschemiten-König hat als einziges arabisches Staatsoberhaupt nicht alles auf Schimon Peres gesetzt. Anstatt als Wahlkampfhilfe Peres zu treffen, lud er Netanjahu vier Mal zu sich nach Amman. „Gebt Netanjahu eine Chance“, lautete nach den Wahlen seine Empfehlung an die arabischen Kollegen.

Der Grund ist einfach: Führenden Likud-Politikern schwebt eine Konföderation zwischen den autonomen palästinensischen Gebieten westlich des Jordan und dem jordanischen Ostufer vor – als Lösung des Palästinenserproblems. Obwohl König Hussein einen solchen Plan offiziell ablehnt, gilt es in der arabischen Welt als ausgemacht, daß er mit derartigen Gedanken spielt. Dazu kommen Gerüchte, er liebäugele mit einem Beitritt zum türkisch-israelischen Militärpakt.

Bei diesen Vorgaben ist kein Wundergipfel zu erwarten. Ägyptens Präsident Husni Mubarak hat als Gastgeber einen zweiteiligen Arbeitsplan vorgelegt. Die arabische Koordinierung soll wieder institutionalisiert werden; möglich wären jährliche Gipfel. Daneben sollen zahlreiche inter-arabische Komitees ins Leben gerufen werden. In Zukunft sollen Wirtschaftsprojekte mit Israel als Teil des Normalisierungsprozesses gemeinsam abgesprochen werden.

Doch es geht nicht nur um Israel und den Friedensprozess. Drängend stellt sich auch die Frage nach dem Umgang mit dem Irak. Auf dem jetzigen Gipfel ist dessen Staatsfürhung zwar noch nicht vertreten. Viele arabische Politiker sind jedoch der Ansicht, der Zeitpunkt, den Paria wieder in die eigenen Reihen aufzunehmen, sei bald gekommen. Anzeichen dafür mehren sich: Im Mai schaute ein Staatssekretär des irakischen Außenministeriums mit einem Brief Saddam Husseins in der Tasche in Kairo vorbei. Es kursieren Gerüchte, der Chef der Arabischen Liga, der Ägypter Ismat Abdal- Magid plane einen Besuch in Bagdad. Und die in Paris erscheinende Zeitschrift al-Watan al-Arabi berichtete gar von einem angeblichen Geheimtreffen zwischen Saddam Hussein und seinem Erzfeind, Syriens Staatschef Hafis al-Assad, an der syrisch-irakischen Grenze.