Industrie gibt Gas beim Klimaschutz

■ Praxisorientierte Beratungsinitiative soll Klimaschutzversprechen wahr werden lassen. Energieberater hält lohnenden Klimaschutz fast immer für machbar

Essen (taz) – Es gibt sie, die maßgeschneiderten Lösungen, die zu einer deutlichen Reduzierung der Kohlendioxidemissionen (C02) führen und gleichzeitig die Kosten senken. Doch um diese „Doppeldividende“ muß man sich kümmern, an jedem Ort, in jedem Betrieb. Das ist die Botschaft des Energie- und Umwelttechnikexperten Ulrich Kaier, der mit seinem Consulting-Unternehmen schon Dutzende von Projekten erfolgreich abgeschlossen hat. „In fast jedem Einzelfall“, berichtete Kaier auf einer Klimakonferenz des Verband der Industriellen Energie und Kraftwirtschaft (VIK) am Dienstag in Essen, seien Erfolge im Klimaschutz bei gleichzeitigen Kostensenkungen „von 10 bis 50 Prozent möglich“. Dabei liege „das Heil nicht in neuen Erfindungen, sondern in der schlauen Anwendung von Technik“.

Die Tagung in Essen war der Start zu einer Beratungsinitiative unter dem Motto „Industrie hilft Industrie“. Interessierte Manager können künftig in den verschiedensten Bereichen „modellhafte Energiekonzepte“ mit erstaunlichen „Doppeldividenden“ praxisnah studieren. Etwa bei den Graphischen Betrieben der Bertelsmann AG in Gütersloh. Mit dem neuen Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungssystem erreichte man dort eine Reduzierung des Primärenergieverbrauchs um 35 Prozent und gleichzeitig gelang eine C02-Minderung um 56.000 Tonnen (50 Prozent) pro Jahr. Mit ähnlichen Werten glänzt ein Automobilzulieferer, die Hella AG in Lippstadt. Auch die Löwenbräu-Brauerei in Heimenkirch dient wegen ihrer rationellen Energieverwendung als Anschauungsobjekt.

Ganz uneigennützig sind die in Essen präsentierten Anstrengungen der Industrie nicht. 1992 hatte Bundeskanzler Kohl beim Erdgipfel in Rio de Janeiro feierlich versprochen, Deutschland werde bis zum Jahr 2005 seine Kohlendioxidemissionen um rund 250 Millionen Tonnen (25 Prozent) pro Jahr reduzieren. Auch die Industrie sollte ihren Teil leisten.

Nach langen Diskussionen versprach die Industrie im vergangenen Jahr anläßlich des Klimagipfels in Berlin, auf freiwilliger Basis zumindest ihre spezifischen C02-Emissionen bis zum Jahr 2005 „um bis zu 20 Prozent“ zu reduzieren. Kritiker bemängelten damals, erstens sei eine Verminderung um bis zu 20 Prozent zu wenig und zweitens reiche es nicht aus, die spezifischen Emissionen zu senken. Notwendig für den Klimaschutz sei eine absolute Senkung.

Der öffentliche Druck blieb nicht ohne Wirkung. Im März dieses Jahres legte die Industrie noch einmal nach. Der relativierende Zusatz „bis zu“ wurde gestrichen. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung kritisiert die Selbstverpflichtung der Industrie zwar weiterhin als ungenügend, die Verminderung würde auch ohne jede über das übliche hinausgehende Anstrengung zustande kommen. Doch der Wuppertaler Klimaforscher Ernst Ulrich von Weizsäcker urteilte zumindest, durch die Nachbesserung sei die Selbstverpflichtung „wesentlich gehaltvoller“ geworden.

Für ihre Klimaschutzanstrengungen verlangte die Industrie allerdings einen Preis. Ekkehard Schulz, Vorsitzender des VIK und Chef der Thyssen Stahl AG formulierte ihn in Essen noch einmal. Bei freiwilligem Klimaschutz müsse die Regierung die Wirtschaft „vor weiteren ordnungsrechtlichen und steuerlichen Maßnahmen im Energiebereich verschonen“.

Die Regierung hatte im März 1995 erklärt, „ordnungsrechtliche Maßnahmen zur Klimavorsorge einstweilen zurückzustellen“. Umweltstaatssekretär Erhard Jauck (CDU) sah sich am Dienstag in dieser Position bestätigt. Die Anstrengungen der Industrie könnten bis zum Jahr 2005 eine absolute CO2-Minderung von 170 Mill. Tonnen pro Jahr ergeben, so Jauck. Die Wirtschaft habe es „selbst in der Hand, dafür zu sorgen, daß der Weg der Eigeninitiative nicht verlassen wird“. Walter Jacobs