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Tschechische Superholding gegründet

■ Wirtschaftsmagnat wandelt Harvard-Privatisierungsfonds in eine Industrie-Holding unter seiner Kontrolle um

Prešov (taz) – Durch zwei Fusionen ist die mit Abstand größte private Holding der Tschechischen Republik entstanden. Die neue Gruppe namens „Harvard Industrie-Holding“ mit einem Stammkapital von 16 Milliarden Kronen (900 Millionen Mark) wird über 40 Unternehmen kontrollieren. Deren Wert soll nach tschechischen Zeitungsangaben bei 30 Milliarden Kronen (1,6 Milliarden Mark) liegen. In einer Anzahl weiterer Unternehmen ist das Konglomerat Minderheitsaktionär.

Die Harvard Industrie-Holding wird von der Familie des tschechischen Wirtschaftsmagnaten Viktor Kožený beherrscht, der seinen Einfluß bei der Privatisierung der tschechischen Wirtschaft erlangte. Er ist der Schöpfer der legendären Harvard-Fonds. Diese Fonds boten den tschechischen Bürgern an, ihre Anrechte auf Aktien der zu privatisierenden Staatsunternehmen nicht selbst wahrzunehmen, sondern sie in einen Investitionsfonds einzubringen und dafür später sehr viel höhere Renditen zu erhalten. Die Idee dahinter: Wenn die tschechische Wirtschaft zu boomen beginnt, könnten die Anleger über höhere Aktienkurse ausgezahlt werden. Zunächst galt das Konzept als extrem spekulativ. Doch zugleich erweckte es in der Bevölkerung schlagartig das Interesse am Aktienmarkt und an der Marktwirtschaft überhaupt.

Die neue Superholding – die Bezeichnung „Harvard“ ist ein reiner Phantasiename, um seriös zu erscheinen – entstand durch die Verschmelzung der sechs Aktiengesellschaften, die aus den sechs Harvard-Fonds hervorgegangen sind. Diese Gruppe wurde mit der Holding Sklo Union Teplice zusammengelegt – in Deutschland bekannt durch die Pilsener Prazdroj-Brauerei. Damit ist das sechst- oder siebtgrößte tschechische Unternehmen überhaupt entstanden. Größer sind nur einige Staatsbetriebe und Fonds der Staatsbanken, deren Existenz die Behauptung der Regierung widerlegt, die Privatisierung in Tschechien sei abgeschlossen.

Besorgnis hat die Fusion in Börsenkreisen ausgelöst. Denn die Kurse der beiden größten Harvard-Fonds sind seit ihrer Umwandlung in Aktiengesellschaften im März dieses Jahres um 50 Prozent gefallen, während der Prager Börsenindex PX-50 um 40 Prozent gestiegen ist. Börsianer spekulieren nun darüber, ob die Megafusion als Versuch zu betrachten ist, Wertverluste zu kaschieren. Prager Makler raten jedenfalls vom Kauf der neuen Harvard-Aktien ab. Dietmar Bartz

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