: Gedenkfeiern
In diesen Jahr, hat mir mein Freund Fritten-Wolle erzählt, feiern de Betreiber vonne Schnellimbißbuden ihr 50jähriges Bestehn. Und da soll ganz groß was abgehn: mit 'ne historische Rückschau auffen Rathausmarkt, wie das 1945 langsam wieder angefang' hat. Zuerst noch mit Knackwurst- ersatz: 'ne gewürzte Mischung aus Knetmasse und Sägespäne in Zellofanhüllen. Und gewärmt wurden diese „Würstchen“ in ein' mit Wasser gefüllten Stahlhelm über ein Talglicht. Und wenn das geregnet hat, habn die Imbißleute 'ne Zeltplane von ein' Militärzelt aufgespannt. Und ist auch gegang'. De Kunden hat das sogar geschmeckt, und de damalige Würstchen warn sowieso viel gesünder als de hoch- gezüchtete Angebote von heute. Außerdem soll der Chor vonne Hamburger Schlach- terinnung, der für seine zarte Stimmen berühmt ist, das Lied von „den Herr Major sien Koh“ sing'... Danach wolln se inne Spitalerstraße anne lebensechte Kuhattrappe aus Plastik und Vinül de verschiedene Schlachtmethoden vorführn, die sich ja in' Lauf vonne Zeit verfeinert habn und immer humaner geworden sind. Denn früher habn se de Viecher einfach so mitte stumpfe Seite vonne Axt vorn Kopp gehaun. Danach wurde de „Stier-Gijotine“ modern, sonne Art Brotschneide- maschine in groß, aber das Gerät war viel zu langsam. Der nächste Schritt war der Einsatz von' Bolzenschußapparat. Den hat man den Tier so ganz locker anne Schläfe gesetzt, mal eben Finger auffen Abzug und – zack! Das wars denn schon. Heute werden de Tiere total human in eine mit lauwarm' Wasser gefüllte Wanne getrieben – und das Wasser wird dann unter Strom gesetzt – und dazu spielt von Kassette Beethofen seine „Hümne anne Freude“. Abends gibts für Esoteriker das Wettlaufen über glühnde Wurstbleche, und für Pazefisten wird umme ganze Alster rum eine gewaltige Wurstkette gebildet „gegen den Hunger inne Welt“. Und die Klein' dürfen in ein Zelt auffen Heiligengeistfeld auf total echt wirkende dreidimensionale Ceiber-Wildsäue schießen mit Spezialgewehre, wo bei ein' Treffer literweise Blut ausse Wunde spritzt... Da fällt mir ein: Das öffentliche Soldatengelöbnis in Berlin vor paar Tage war ja fast so stark, wie das Fest vonne Hamburger Imbißleute werden soll, und hat wohl auch bischen Pate gestanden von seine Dramaturgie her. Habn se nämlich auch historische Exerzierübung' gezeigt. Bloß de militärische Übung' für de Kinder, also FÜR DEN KLEINEN SOLDATEN, wo man zun Beispiel ne Atombombe auslösen kann, vielleicht über Bonn mit Spezialeffekte und alles, das hat gefehlt. Und als Ausgleich hatten se bloß de feierliche Geschwüre über den Einsatz von sein' Leben für VATERLAND, FREIHEIT UND FREIE MARKTWIRTSCHAFT, umrahmt von passende Musik... klar, se habn sich ja Mühe gegeben, aber war trotzdem längst nicht so explosiv wie ne A-Bomben-Simulazion in 3-D gewesen wär...
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen