Die Elbe wird tiefer gelegt

■ Gutachten brachte bestelltes Ergebnis: Fahrrinnen-Vertiefung wird Umwelt und Hochwasserschutz überhaupt nicht gefährden Von Heike Haarhoff

Wunschgemäß erhielt Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus (parteilos) das beantragte Untersuchungsergebnis geliefert: „Die wirtschaftlich dringend erforderliche Vertiefung der Elbe hat keine gravierenden Folgen für Natur und Umwelt“, behauptete er gestern gutgelaunt vor der Presse. Nach der jetzt weitestgehend abgeschlossenen Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU) dürfte der umstrittenen Fahrrinnen-Vertiefung nichts mehr im Wege stehen. In den Haushalten von Hamburg (20 Millionen) und dem Bund (180 Millionen) ist die Finanzierung längst abgesegnet.

Ab 1997 soll die Elbe zwischen Hamburg und Cuxhaven von derzeit 12,80 auf 13,80 Meter ausgebaggert werden. Große, tideabhängige Containerschiffe mit entsprechend hohem Tiefgang sollen danach keine Probleme mehr haben, den Hamburger Hafen auch bei voller Ladung zu erreichen. Das konnten sie bislang zwar auch ungehindert. Statt bisher einer werden sie aber künftig drei Stunden Zeit zum Auslaufen haben.

„Wir haben uns bemüht, die Veränderungen der Tidedynamik so klein wie möglich zu halten.“ Georg-Wilhelm Keil, Präsident der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nord, hatte den ökologisch-bemühten Augenaufschlag einstudiert. Durch die Vertiefung sinkt der natürliche Widerstand gegen die Fließgeschwindigkeit. Damit die Nordsee-Fluten künftig aber nicht schnurstracks gen Hamburg strömen und die hiesige Deichsicherheit gefährden, werde die Elbe „nicht durchgehend vertieft“, so Keil.

Zwischen Otterndorf und Stader Sand lasse man einen 65 Kilometer langen Sockel stehen. Selbst bei Sturmfluten steige der Elb-Wasserspiegel künftig um nicht mehr als drei Zentimeter. Die Strömungsverhältnisse am Mühlenberger Loch veränderten sich marginal.

Dem Gutachten der beauftragten „Planungsgruppe Ökologie und Umwelt Nord“ (Hamburg) zufolge werden sich auch die Brackwasserzonen trotz des erheblichen Eingriffs in den Naturhaushalt kaum merklich stromaufwärts verschieben. Bei Wedel steige der Salzgehalt um 0,02 Promille, bei Glückstadt um 0,01 Promille. Werte, die die Lebensverhältnisse von Fischen und Pflanzen „biologisch kaum nachweisbar beeinträchtigen“, so Gutachter Gerhard Albert.

Überhaupt erscheint die Ausbaggerung, nimmt man die gestrigen Verlautbarungen ernst, geradezu wünschenswert für das Ökosystem Elbe: 30 Millionen Kubikmeter Schlick müssen ausgebaggert werden. Anschließend soll der schlammige – angeblich so gut wie gar nicht verseuchte – Aushub zu 90 Prozent ufernah in der Elbe verklappt werden, sich dort ablagern oder in die Nordsee schwemmen. Daß so der Lebensraum von Muscheln, Krebsen und Würmern auf der Gewässersohle zerstört wird, sorgt die Gutachter wenig: „Wir rechnen mit schneller Wiederbesiedelung.“

Davon ist auch der Staatsrat der Wirtschaftsbehörde, Heinz Giszas, überzeugt. Jede Zerstörung der Natur ließe sich schließlich „ausgleichen“: Zwar würden Röhricht und andere Uferpflanzen wegen der höheren Tide zunächst ersaufen. Langfristig müsse die Fauna eben lernen, sich auf Vordeichflächen zurückzuziehen. Daß das gar nicht möglich ist, weil die Baubehörde jüngst ihr geplantes Rückdeichungs-Programm geknickt hat (taz berichtete), schert die Behörde dabei kaum.

Sie treibt einzig die Angst an, der Hamburger Hafen könne seine Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Erneut sprach Senator Rittershaus gestern von einer Armada von 700 Seeschiffen, die im vergangenen Jahr den Hamburger Hafen wegen zu geringer Wassertiefe nicht vollbeladen habe, anlaufen können.