■ Zur Einkehr: Im stillen Frieden
Der Teufel hat es auf der Welt so eingerichtet, daß die schönsten Schrebergärten an den lautesten Autobahnen und Bahnstrecken liegen. Pech für die Pächter, die ihre Ziertomaten nur mit schalldämmenden Ohrenschützern ernten können. Pech auch für jene, die sich in den Schrebergartenlokalen ein ruhiges Feierabendbier erhoffen. Denn schon kommt wieder der Eurocity aus Graz ange-rumpelt – da, hören Sie? – Nein? Dann sitzen Sie wahrscheinlich „Im stillen Frieden“. Ein Lokal, das seinen Namen verdient: Kaum 50 Meter von der zentralen Bremer Bahntrasse entfernt gelegen, wirkt der Zauber dieses Etablissements dennoch das Wunder, daß man jeden Krach schlicht überhört.
Ja: Jeder Gedanke an Ruhestörung wird hier im Keim erstickt. Das beginnt schon bei der Kundenwerbung bzw. Kundenvermeidung. Allzu viele Gäste – womöglich lautstark schwatzendes oder sonstwie unschön rumorendes Jungvolk – halten sich die Wirtsleute gekonnt vom Hof. Kein Gedanke an Werbung, Wegweiser oder sonstige Reklame. Entlang der Kleingartenwege hat man sogar extra Streckenposten abgestellt, die eventuelle Neukunden davon abhalten sollen, den „stillen Frieden“ zu stören. Auf Anfrage bekommen die Ortsunkundigen zu hören, daß es „da hinten“ zwar schon so eine Gartenkneipe gebe, „aber da ist nichts los, keine jungen Leute, nichts ...“, granteln die Warner und winken mit großen Gärtnerhänden ab. Meistens mit Erfolg.
Denn im „stillen Frieden“ hocken tatsächlich, allem Anschein nach, nur die Alteingesessenen unter den Alteingesessenen. Schweigend werden die großzügig bemessenen Biere eingenommen. Besinnlich („sinnig“, sagt der Bremer) wird das Gastmahl verzehrt, Happen für Matjeshappen. Freundliches Gemurmel ist schon das höchste der Gefühle. Ansonsten beschallen nur die vorschriftsmäßigen Singvögel das Idyll.
Umfriedet wird die stille Pracht schließlich von hohen Hecken. Im Innern des Gartenlokals bilden sie kleine Nischen, quasi einen Kranz von Privatkapellen – spätestens hier wird der Gast gewahr, daß der „stille Frieden“ zweifelsohne die gastronomische Inkorporation des himmlischen Paradiesgärtleins ist. Und siehe: Alle nur denkbaren Köstlichkeiten werden hier aufgetischt, vom Bauernfrühstück bis zum Großen Brotzeitteller „Art des Hauses“, alles mit Engelsgeduld zubereitet und serviert. Die Adresse? Ach, die brauchen Sie gar nicht. Da ist sowieso nichts los, keine jungen Leute, nichts ... tw
Eichenweg 35, tägl. ab 17 Uhr, So. ab 11 Uhr
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