piwik no script img

■ VorschlagSchule der Tragik: „Othello“ im BAT

Im Story-Telling ist Shakespeare der Übermeister. Wie kein anderer mixt er Sex und Crime, Comedy und Tragik. Seine Protagonisten jagt er dabei durch alle Facetten menschlichen Daseins. Das macht ihn interessant, auch wenn jeder die Geschichten kennt.

Im BAT-Studiotheater, wo sich StudentInnen des 3. Studienjahres am Evergreen „Othello“ versuchen, setzt man eher auf die Qualitäten der Geschichte, denn auf ausgeklügeltes Personal. Und da good old Williams Theater durchaus volksnah ist, kommt diese Adaption zunächst einmal wie eine leichtfüßige Action-Komödie daher. Bei jeder Gelegenheit wird der Degen gezogen, und mimische Kommentare in Commedia-Manier ersticken jeden Zweifel an den Handlungsmotiven der Figuren. Auf dem weißen Bühnenpodest regiert die große Körperlichkeit. Othello (Christian Nickel) ist ein seiner Wirkung bewußter Afrika-Beau, der selbstsicher durch die fremde Gesellschaft schreitet. Kein naiver Klotz, der nicht durchschaut, daß Jago an ihm den Beweis der Überlegenheit der hellen Haut führen will. Matthias Hörnke spielt den Intriganten als schillernden Demagogen im Goebbels-Format. Die restlichen Personagen sind auf wenige Charakterzüge eingedampft: Martin Weiß' Rodrigo greint als verschmähter Anbeter Desdemonas und störrischer Junge entschwundenen Sandkastenträumen hinterher; Frank Seppler gibt als Cassio den genußsüchtigen Dandy mit dem humanen Kern unter der Macho-Schale. Solange die Komödie überwiegt, sind die fulminant gespielten Vereinfachungen höchst unterhaltsam.

Doch Othellos Geschichte ist nun mal tragisch, und das zu ironisieren traut sich Regisseurin Elke Petri nicht. Dazu ist die altgediente Peter-Stein-Actrice wohl selbst zu sehr Schauspielerin. Und so sieht man dann später einen tragischen Helden, dessen plötzliche hilflose Raserei so gar nicht nachvollziehbar ist; dazu einen Rodrigo, der selbst angesichts des Todes noch kindisch herumnölt, und einen Jago, dem seine totale Niederlage bloß ein satanisches Grinsen entlockt. Nur Patricia Hermes als Desdemona durchstößt die Oberfläche. Sie zeigt einen vollständigen Menschen im groben Raster. Rasanter Action-Thriller am Anfang, aufgesetztes Drama am Schluß. Keine wilde, pralle Mischung – die es wohl sein will –, sondern ein halbherziger Spaß. Shakespeare zwischen den Seilen. Gerd Hartmann

Heute, 19.30 Uhr, im BAT-Studiotheater, Belforter Straße 15

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen