"Der Dominoeffekt ist da"

■ Charlottenburgs Baustadträtin Beate Profe (Bündnis 90/Die Grünen) kritisiert die Senatsentscheidung für den Bau des Victoria-Hochhauses am Cafe Kranzler

taz: Bausenator Klemann (CDU) hat den Bebauungsplan für das Victoria-Areal jetzt unterschrieben. Der Bezirk Charlottenburg hat lange gegen dieses Bauprojekt gekämpft. Welche Einwirkungsmöglichkeiten hat der Bezirk jetzt noch?

Beate Profé: Das Bebauungsplanverfahren hatte der Senat an sich gezogen – das war schon Klemanns SPD-Vorgänger Nagel. Deshalb war der Bezirk außen vor. Das Vorhaben ist genehmigt worden gegen den gesammelten Sachverstand der Fachleute und Architekten. Der Investor kann jetzt einen Bauantrag beim Bezirk stellen. Den abzulehnen hat der Bezirk wenig Chancen, weil der Bebauungsplan wie ein Gesetz ist.

Was kritisiert der Bezirk?

Der Bezirk hat vor allem zwei Kritikpunkte, wobei sich in Charlottenburg alle Parteien einig sind. Wir kritisieren nicht einmal so sehr die Höhe von 55 Metern, sondern vor allem die Länge von 120 Metern. Dieser immens lange Riegel ist unverträglich für das Stadtbild. Außerdem rückt er zu nahe an den Ku'damm. Ich möchte den Riegel verkürzen und ein Stück vom Ku'damm wegrücken.

Stadtentwicklungssenator Strieder(SPD) wirft Ihnen vor, Sie würden dieses Bauvorhaben mittragen und nennt Sie ein „Weichei“. Stimmt das?

Nein. Richtig ist vielmehr, daß der Stadtentwicklungssenator und die SPD es nicht vermocht hat, den Bausenator, mit dem sie in einer Koalition verbunden sind, von der Unterschrift unter den Bebauungsplan abzuhalten. Außerdem hat die SPD im Bauausschuß des Abgeordnetenhauses einen Antrag der Grünen abgelehnt, den Bebauungsplan nicht festzusetzen. Wenn die SPD hinterher sagt, das Ergebnis gefällt uns aber nicht, dann finde ich das einen merkwürdigen Vorgang.

Senator Strieder hat vertreten, man könnte das Café Kranzler und das Bilka-Kaufhaus abreißen, damit ein anders gestalteter Baukörper möglich wird.

Bilka und Kranzler stehen unter Denkmalschutz. Sie sind ein Symbol Westberliner Nachkriegsgeschichte. Für mich steht dies nicht zur Disposition, auch wenn das Kranzler architektonisch nicht besonders schön ist. Aber darum geht es nicht. Diese Bauwerke haben einen immensen Identifikationswert für die Berliner. Dieses abzureißen zugunsten einer Blockrandbebauung halte ich für falsch.

Ist die Entscheidung für das Projekt der Victoria-Versicherung ein Präzedenzfall für die City- West, was Hochhäuser angeht?

Ja, das befürchte ich. Wir haben jetzt zwei Präzedenzfälle. Neben dem Victoria-Areal auch das Bauvorhaben der „Brau und Brunnen AG“, für das die Bauverwaltung bereits eine Baugenehmigung erteilt hat. Beide Bauvorhaben sprengen alles bisher Übliche. Bei „Brau und Brunnen“ ist eine Bebauungsdichte erlaubt, die ein Vielfaches von dem beträgt, was bisher dort üblich ist. Natürlich ist es ein Problem, bei den weiteren Hochhausprojekten nun wiederum Begründungen zu finden dafür, warum dort gleiches nun nicht mehr erlaubt werden kann. Damit ist der Dominoeffekt da. Das heißt nicht, daß ich bei den anderen Bauvorhaben nicht mehr kämpfen werde. Aber die Chancen für den Bezirk, eine solche Entwicklung aufzuhalten, vermindern sich mit jedem Projekt.

Interview: Gerd Nowakowski