Der Portugiese ist groß

Sieben höchst unterschiedliche Völker können dem Deutschen noch die Europameisterschaft streitig machen  ■ Von Horst Evers

Der Portugiese

Der Portugiese ist erstaunlich groß, 92.089 Quadratkilometer, wirkt aber viel kleiner, weil er neben dem riesigen Spanien liegt, da sieht man dann natürlich klein aus. Der Belgier beispielsweise ist nur halb so groß, wirkt aber größer, weil er neben Luxemburg liegt. Der Portugiese trinkt jeden Morgen gleich nach dem Aufstehen eine Flasche Portwein, das heißt, genaugenommen trinkt er sie erst mittags, da er erst um 12 Uhr aufsteht, weil er sich vorgenommen hat, vormittags keinen Alkohol mehr zu trinken. Dazu ißt er immer gegrillten oder frittierten Fisch mit ganz viel Olivenöl. Trotzdem hat er nie Sodbrennen oder Durchfall. Der Verdauungstrakt des Portugiesen ist eines der letzen unerforschten Wunder dieser Welt. Die wichtigste Einnahmequelle des Portugiesen sind die Briefbeförderungsgebühren, die alle Welt an die zweitgrößte Stadt des Landes zu entrichten hat. Der Portugiese liebt das Kurzpaßspiel, das liegt daran, daß sein Land so schmal ist, bei langen, weiten Pässen würden ihm einfach zu viele Bälle ins Meer fallen.

Der Engländer

Der Engländer ist insgesamt 47,6 Millionen Menschen und bewohnt ein idyllisches Inselgrundstück von 132.356 Quadratkilometern. Eigentlich ist er noch größer und heißt Brite. Der Engländer ist berühmt für seinen Kampfgeist. Weil er den ganzen Tag ununterbrochen fightet, muß er natürlich auch viel transpirieren. Und so entsteht dann der berühmte ganzjährige Londoner Nebel. Der männliche Engländer steht jeden Morgen ganz früh auf, 5 Uhr oder so, weil, um sechs muß der Nebel fertig sein. Später steht dann auch seine Frau auf und macht ihm erst mal ein leckeres, pappiges Toastbrot mit bitterer Orangenmarmelade. Er bedankt sich dafür, denn er ist ein extrem höflicher Mensch und würde niemals zugeben, daß er diese widerliche bittere Orangenmarmelade auch schon längst nicht mehr sehen kann. Dann nimmt er sich seine Melone, den Regenschirm und seine Garderobe aus feinstem englischen Tuch, geht aus dem Haus, was sein Castle ist, und bildet eine Schlange an der Bushaltestelle, wo er auf einen roten Doppeldeckerbus wartet, der beständig auf der falschen Straßenseite kommt. Der Engländer ist dabei immer sehr gelassen, summt Beatles-Lieder und macht trockene Witze. Der englische Humor gilt als der beste der Welt. So wie der Engländer kocht, braucht er diesen Humor aber auch. Benannt hat sich der Engländer übrigens nach einem Werkzeug.

Der Holländer

Der Holländer ist das kleinste Land bei dieser EM und dabei ist ein gutes Stück von seiner Fläche auch noch nur vom Meer geliehen. Der Holländer hat keine Berge, deshalb gibt es bei ihm auch keine Propheten. Er wohnt in einem kleinen roten Backsteinhaus, das so schmal ist, daß sogar der Briefkastenschlitz senkrecht angebracht ist, hat immer Tulpen vor dem Haus und niemals Gardinen, weil er es selbst auf keinen Fall erleben möchte, daß er nicht immer überall reingucken kann. Der Holländer gilt als sehr liberal und freizügig. Der Deutsche weiß natürlich, daß Liberalität und Freizügigkeit ein viel höheres Gut sind als Drogen und Sexshops. Trotzdem fährt er gerne nach Holland, um fremde Freiheitsbegriffe zu studieren, speziell wenn er jugendlich ist. Sprachgeschichtlich gesehen spricht der Holländer eine Art Plattdeutsch. Der wichtigste Wirtschaftszweig des Holländers ist die Showmaster- und -masterinnenproduktion. Holländische Quizmaster werden vornehmlich für den deutschen Markt produziert und sind beliebt wegen ihrer hohen Lebensdauer und ihrer lustigen Art zu sprechen. In geheimen Ausbildungslagern in der holländischen Tiefebene werden sie so lange auf Quäklaute und unvollständige Sätze gedrillt, bis sie vergessen haben, daß sie eigentlich auch perfektes Hochdeutsch sprechen können.

Der Spanier

Der spanische Mann ist von Geburt an Macho und gilt als großer Liebhaber, weil er viele Haare auf der Brust hat. Die spanische Frau ist in jungen Jahren immer wunderschön und wird im Alter weise oder eigenartig. Das ist alles so ähnlich wie mit dem Italiener. Wenn die spanische Frau Mutter ist, muß sie immer viel schreien, weil sie das Machohafte ihrer Kinder nicht ertragen kann. Der berühmteste Spanier, Christoph Kolumbus, hat die Rundheit der Erde erfunden. Die berühmteste Spanierin ist die ETA. Sportart Nummer eins in Spanien ist der Stierkampf. Ihr berühmtester Schriftsteller ist deshalb Ernest Hemingway. Auf seinen Inseln spricht der Spanier deutsch, ansonsten pflegt er spanisch zu reden.

Der Franzose

Denkt man an Frankreich, denkt man an Platini, Bernard Tapie, la vie jolie, la Bastille sowie Paris. Die berühmteste Erfindung des Franzosen war die Französische Revolution, aber wo hätte man die sonst schon erfinden sollen. Die Franzosen protestierten damals dagegen, daß ihre Bäcker besser Brot als Kuchen backen konnten. Die Berliner wären ja schon froh, wenn ihre Bäcker wenigstens eins von beiden könnten, aber bis das hier mal 'ne Revolution gibt ... is' ja auch egal. Die berühmtesten Franzosen sind Robespierre, Napoleon und der Pariser. Leute, die der Franzose nicht mag, bewirft er mit Atombomben oder zwingt sie, Eric-Rohmer-Filme zu gucken. Leuten, die er mag, baut er große gläserne Kaufhäuser in die Stadt. Solche Kaufhäuser nennt er dann Galerien, weil man die Sachen da drin nur angucken kann, zum Kaufen sind sie nämlich viel zu teuer.

Der Tscheche

Der Tscheche ist zur Zeit 10,4 Millionen Menschen und bewohnt die 71.365 Quadratkilometer große Hälfte eines Zweifamilienhauses südlich von Polen. In der anderen Hälfte wohnt der Slowake, mit dem der Tscheche heute in Scheidung lebt. Deshalb hat er auch seinen Doppelnamen wieder abgelegt. Alle Tschechen haben Angst, daß sie eines Morgens aufwachen und sich in einen Käfer verwandelt haben. Der durchschnittliche Tscheche lebt in Prag, summt den ganzen Tag die Moldau, ißt täglich 50 Knödel und muß deshalb auch täglich eine Flasche Becherovka trinken, nach der ihn eine unerträgliche Leichtigkeit des Seins befällt. Außerdem fährt er Škoda. Das Wetter beim Tschechen ist meist ganz gut, vor allem der Prager Frühling ist weltberühmt. Der Tscheche ist eine Biernation. Deshalb ist Bier dort total billig. Erst recht für Deutsche. Deutsche sind, wenn sie in Tschechien sind, durchgehend so betrunken wie Skandinavier, wenn sie in Deutschland sind. Wie betrunken Skandinavier in Tschechien sind, kann man sich überhaupt nicht mehr vorstellen. Die berühmtesten Tschechen sind Franz Kafka. Der größte Erfolg der Tschechen war, als Uli Hoeneß mal einen Elfmeter verschossen hat.

Der Kroate

Der Kroate ist nicht so groß. Wie groß er genau ist, weiß ich nicht, weil, als mein Atlas gedruckt wurde, gab es Kroatien noch nicht. Der Kroate ist erst vier Jahre alt, hat aber schon alle Zähne. Die kroatische Mannschaft hat es oft nicht leicht, weil ihre Funktionäre immer wieder blöd daherreden. Dabei ist der Kroate eigentlich ein netter Kerl, wenn er nur nicht ständig meinen würde, er müßte sich irgendwie beweisen. Zur Zeit hat der Kroate kaum Berge, da er sein Land aber sowieso gerade komplett neu aufbaut, ist es gut möglich, daß er sich auch den einen oder anderen großen Berg baut. Eine Bergbauindustrie wäre für ihn ohnehin gut. Der derzeit wichtigste Wirtschaftsfaktor für den Kroaten ist die Tourismusindustrie. Hier ist ungewöhnlich, daß sein ganzes Land schon kaputt ist, noch bevor die ganzen Touristen wiederkommen.

Jaja, so ist das mit Europa ...