"Der Markt ist dicht", schrieb vorgestern Die Woche...

„Der Markt ist dicht“, schrieb vorgestern Die Woche, und meinte den der Tageszeitungen. Neugründungen habe es seit den fünfziger Jahren nicht gegeben, Ausnahmen: der Kölner Express und die taz. Die stark defizitäre taz“ stand da. Da nickt der tazler, denn für uns sind die 2,5 Millionen Mark, die wir im letzten Jahr Verlust gemacht haben, tatsächlich ein Riesenberg. Weil wir keinen Verlag hinter uns haben, der uns mit den Gewinnen eines anderen Produkts finanzieren kann, wie das bei anderen Berliner Zeitungen üblich ist: Die zweistelligen Millionenverluste, die der Tagesspiegel jedes Jahr macht, trägt die Holtzbrinck- Gruppe, und Springers Welt wird traditionell von der Gelddruckmaschine Bild subventioniert (geschätztes Jahresdefizit: 40 Millionen).

Bundesweit stagniert die Auflage der Tageszeitungen. Die renommierte Süddeutsche hat mit ihrem Projekt SZ 2000“, das den Verkauf außerhalb der bayerischen Stammleserschaft ankurbeln sollte, nur wenige tausend Exemplare zugelegt. Und in Berlin, wo sich gleich ein halbes Dutzend Abonnementszeitungen mit Lokalteil tummeln, sieht es noch düsterer aus. Die Welt ist 1993 nach Berlin gezogen, um neue Hauptstadtleser zu gewinnen. Doch der neue Lokalteil brachte ihr in drei Jahren kein einziges Exemplar zusätzlich. Und der Tagesspiegel hat seit dem Fall der Mauer schätzungsweise 150 Millionen investiert. Die Auflage stieg deswegen noch lange nicht, man wartete lange Zeit vergeblich auf Leser und Leserinnen jenseits der ehemaligen Mauer. In der anderen Richtung ist die gläserne Mauer“ der Entfremdung, die sich an die Stelle der alten aus Beton gesetzt hat, ebenso dick: Der Berliner Zeitung, ehemaliges SED-Blatt, ist der Sprung in den Westteil der Stadt auch nicht geglückt.

Und die taz? Daß sie auf dem Zeitungsmarkt, der nicht selten mit einem Haifischbecken“ verglichen wird, noch nicht verschlungen worden ist, zählt schon als Erfolg. Insgesamt 10,4 Millionen Verlust in 17 Jahren? Ein hervorragendes Ergebnis, geradzu „Kooper-nuts“ nennt das die Zeit mit Blick auf die üblichen Anlaufverluste von neuen Zeitschriften.

Doch wir wollen nicht jammern: die taz hat eine Riesenchance, wenn Berlin nach dem Jahr 2000 nicht nur Regierungssitz, sondern auch mehr und mehr zum Anziehungspunkt für Intellektuelle, Künstler und andere Menschen wird, die eine linke Zeitung aus Berlin mit überregionaler Bedeutung lesen wollen. Doch bis es soweit ist, müssen wir nicht nur durchhalten, sondern auch - mit neuen finanziellen Mitteln - Anlauf nehmen für den Sprung zur großen Hauptstadtzeitung.

Michael Rediske