■ Der Widerstand gegen ein neues Staatsbürgerrecht bröckelt
: Die Modernisierungsverlierer

Die Initiative war so überfällig wie die Reaktionen erwartbar. Kaum hatten sich die 150 CDU-Politiker mit ihrem Aufruf zur Neuordnung des Staatsangehörigkeitsrechts an die Öffentlichkeit gewandt, echote das „Mit uns nicht“ aus der Ecke der Parteifreunde von der CSU und des rechten Flügels der eigenen Partei. „Menschen, die aus einem anderen Kulturkreis kommen, müssen sich aus ihm auch lösen“ – die Maxime des CSU-Politiker Wolfgang Zeitlmann offenbart, warum die Veränderung der eigenen Position so schwierig ist. Es ist kein Problem der Rechtsunsicherheit oder -ungleichheit, wie die vielfach ausgeräumten und immer wieder vorgebrachten Einwände mutmaßen lassen. Beherrschend ist die eigene völkisch definierte Identität als die Abwehr des Anderen. Diese Haltung ist genauso defensiv wie latent agressiv. Sie ändert sich nur selten in Abstimmungsverfahren, diese sind eher angetan, sie zu verfestigen.

Bedeutsamer als die argumentative Auseinandersetzung ist die Zersetzung des eigenen Milieus. Darin liegt die Bedeutung der Initiative der 150 Christdemokraten. Sie signalisieren dem eigenen Lager, daß die Zeit der gesellschaftspolitischen Geschlossenheit an dieser Front vorbei ist. Wer weiterhin auf den Grundsätzen des Jus sanguinis beharrt, die Zuwanderung Hunderttausender Spätaussiedler begrüßt, um im gleichen Atemzug die rechtliche Integration Hunderttausender Türken zu verweigern, offenbart ein Maß an Irrationalität, das den Modernisierungsverlierer erkennen läßt. Ein zeitgemäßes Staatsangehörigkeitsrecht wollen die 150 CDUler, im Klartext: Deutscher ist, wer hier geboren ist.

Um diesem Prinzip, dem Jus soli, zum Durchbruch zu verhelfen, verdient die Initiative die Unterstützung all derer, die zu Recht einwenden, daß sie zu spät kommt und nicht weitgehend genug ist. Es hat bereits viele Gesetzesentwürfe gegeben, die den Erfordernissen der Immigrantinnen angemessener waren, doch bestenfalls nützten sie nur, der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung vorzuführen, daß ihr Wort in der eigenen Regierung nichts gilt. Diese Erfahrung gilt es in Rechnung zu stellen. Nähme man die Initiatoren bei ihrem Wort – was aufgrund der mit der CDU gemachten Erfahrungen schwerfällt – wäre eine Mehrheit im Bundestag zu erzielen. Jenseits der Fraktionszwänge. Es wäre ein erster Schritt, mehr nicht. Doch dieser Schritt würde verdeutlichen, daß sogar das Deutschsein sich verändern kann. Dieter Rulff