München schwebt im Rausch des Tunnels

■ Bahn AG will den Hauptbahnhof in den Untergrund verlegen

München (taz) – Drei Tage vor dem Bürgerentscheid über den Bau dreier Straßentunnel am Mittleren Ring ist in München ein weiteres Tunnelprojekt vorgestellt worden. Nicht die Autos sollen dabei unter die Erde, sondern die Züge mitsamt dem Münchner Hauptbahnhof. So sieht jedenfalls die Vision des Chefs der Deutschen Bahn AG, Heinz Dürr, aus. Aus dem Sackbahnhof mit 36 Gleisen soll nach der „verkehrspolitisch zweifelsfrei faszinierenden Idee“ (Oberbürgermeister Ude, SPD) ein unterirdischer Durchgangsbahnhof mit nur noch acht Gleisen werden. Schon im westlichen Vorort Pasing gingen nach dem Projekt „München 21“ dann die Züge in den Untergrund. Zwei weitere 3,3 km lange Tunnel würden den Hauptbahnhof mit dem Ostbahnhof verbinden, so daß Züge mit 120 km pro Stunde unter der Stadt auf der Ost-West-Achse hindurchbrausen könnten.

Auf der bisherigen Einfahrtschneise des Bahnhofs entstünde so ein 120 Hektar großer Freiraum in bester Citylage. Hier sind ein drei Kilometer langer und 165 Meter breiter „Frischluftpark“ sowie der Bau von etwa 20.000 Wohnungen und Büros geplant. Der Bahnhof selbst soll in ein „attraktives Publikumszentrum“ verwandelt werden. Geplant ist ein „Multi-, Kultur-, Kommerz- und Kongreßzentrum“ auf sechs Etagen. Die Kosten des Untergrundprojektes (ähnliches hat die Bahn auch in Stuttgart und Frankfurt/Main vor) werden – bei einer Bauzeit von rund 20 Jahren – auf zehn Milliarden Mark geschätzt.

Zunächst aber gibt es erst einmal die obligatorische Machbarkeitsstudie. Sie soll in etwa anderthalb Jahren dem Stadtrat präsentiert werden. Ein Effekt der gigantischen Undergroundvision aber könnte sich bereits am Sonntag zeigen: Vielleicht überlegen sich viele Münchner bis dahin doch noch, daß es schöner wäre, im Zug durch einen Tunnel zu brausen, als in Autotunnels am Mittleren Ring im Stau zu versauern. Zu einem besseren Zeitpunkt hätte der Dürr-Vorschlag nicht kommen können. Thomas Pampuch