Rüstung schafft weniger Arbeitsplätze -betr.: "Marine bedenkt Vulkan und Lürssen", taz vom 13.6.1996

Betr.: „Marine bedenkt Vulkan und Lürssen“, taz vom 13.6.

Als „einen Meilenstein auf dem Weg in die Zukunft“ bezeichnete ein Vulkan-Sprecher den Neubau-Auftrag für drei Fregatten des Typs F-124 aus Bonn. Mit ca. 400.000 Arbeitsstunden seien damit die 60 Mitarbeiter der Bremer Vulkan Marineschiffbau GmbH ausgelastet. Das Gesamtvolumen des Auftrags, den sich die Bremer Vulkan Marine Schiffbau GmbH mit den Howaldtswerken in Kiel, den Thyssen Nordseewerken in Emden und Blohm + Voss in Hamburg teilen muß, beträgt drei Milliarden Mark und soll nach Angaben des Verteidigungsausschusses „acht Jahre lang rund 2.000 Menschen beschäftigen“.

Es scheint, als wäre die Karriere des Argumentes „Rüstung schafft Arbeitsplätze!“ nicht totzukriegen. Noch deprimierender ist es, daß die vermeintliche kritische Öffentlichkeit in diesen verlogenen Kanon bedenkenlos mit einstimmt. So ist sich die taz nicht zu schade, die Meldung über den Fregatten-Auftrag mit „Marine bedenkt Vulkan und Lürssen“ zu überschreiben. Man kann hungernde Kinder oder Obdachlose mit wichtigen Geschenken zum Lebensunterhalt bedenken. Weder der Vulkan noch Lürssen stellen eine notleidende Randgruppe dar, und Kriegsschiffe sind schon gar nicht das geeignete Mittel, um Menschen den Lebensunterhalt zu sichern – auch nicht den Schiffbauern!

Wem etwas daran liegt, gegen die Arbeitslosigkeit und für eine sozialere und gerechtere Gesellschaft zu kämpfen, der muß wissen, daß jede Mark, die in die Militärwirtschaft investiert wird, verschwendet und dem Frieden abträglich ist.

Studien haben bewiesen, daß die Beschäftigungswirkung von Staatsausgaben im zivilen Bereich viel höher ist als im Rüstungssektor. „In Westdeutschland würden (1989) eine Milliarde DM (...) Einsparungen im Militärhaushalt, die gleichzeitig für alternative Programme ausgegeben werden, mindestens 800, wahrscheinlich aber bis zu 6.500 mehr Arbeitsplätze schaffen, als dadurch im militärischen Bereich verloren gingen“ (Renner 1992, S.25). In den USA hat das Amt für Beschäftigungsstatistik ebenfalls festgestellt, daß im zivilen Bereich ausgegebenes Geld Dollar für Dollar mehr Arbeitsplätze schafft als die Militärausgaben.

Wer ernsthaft behauptet, mit Rüstungsaufträgen die Arbeitslosigkeit bekämpfen zu wollen, ignoriert nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern führt auch einen Schlag ins Gesicht aller Arbeitssuchenden. Wenn die Regierungskoalition bis zum Jahr 2000 die Arbeitslosenzahl halbieren will, muß sie die Rüstungskonversion aktiv fördern und nicht wie bisher Milliarden in zerstörerische und gesellschaftlich unnütze Technologien investieren!

„Rüstung schafft Brot“ betitelte Kurt Tucholsky 1928 einen seiner Artikel in der Weltbühne, und seine Analyse scheint die aktuelle Situation zu beschreiben: „Da haben wirs: Aus rein sozialer Fürsorge müssen wir, gewissermaßen als Notstandsarbeit für 80 Millionen Mark ein kleines Panzerschiff bauen! Not bleibt Not, und unsre Regierung der nationalen Einheitsfront würde sich gegen ihre heiligsten Schwüre vergehen und gegen den Willen des greisen Reichspräsidenten, wenn sie nicht alles täte, um die drohende Not des deutschen Proletariats zu beseitigen. Dazu aber erscheint kein Mittel so geeignet wie der Wiederaufbau einer starken Rüstungsindustrie.“ (Tucholsky, 1928) 1996 kostet eine Fregatte ca. eine Milliarde Mark – sonst hat sich nicht viel geändert!

Thorsten Ludwig

Renner, Michael: Konversion zur Friedensökonomie, Schwalbach im Taunus, 1992

Tucholsly, Kurt: Rüstung schafft Brot, in: Die Weltbühne, H.1/1928, S.70