Klärung der Gehirnsäfte

■ „Meerschaum, Ton und Porzellan“ – Rauchkultur im Überseemuseum ausgestellt

„Das sind die kleinen und feinen Dinge der Rauchkultur.“ Hartmut Roder vom Übersee-Museum zeigt auf dicke Zigarren, silberne Tabakdosen und aztekische Steinpfeifen in Glasvitrinen: „Bremen wäre ohne den Tabak nicht zur Handelsstadt aufgestiegen.“ Die Tabak-Ausstellung „Meerschaum, Ton und Porzellan“ zeigt wertvolle und kuriose Rauch-Gegenstände aus fast zwei Jahrtausenden.

„Im 19. Jahrhundert haben die Bremer den Holländern das Tabak-momopol abgejagt,“ erklärt Genuß-Raucher Roder. Das Verdienst der Holländer sei ihre Sammel-wut. „Bis ins 19. Jahrhundert waren sie zudem Vorbild für die Herstellung von Tabak und Rauchutensilien“. Rund 150 Gegenstände aus dem Niemeier Tabaksmuseum in Groningen zeugen davon: Angefangen vom aztekischen Tabak-Gott in Pfeifenform bis zur lungenfreundlichen Zigarettenspitze aus den 50er Jahren. Zur Sammlung gehört auch ein gut 160 Jahre alter Dorf-Tabakladen, Meerschaumpfeifen in Form barbusiger Damen und ein schwarzer Sklavenhändler als Schaufenster-Werbefigur. Sie stehen jetzt, etwas verloren, zwischen Museumsbar, Restaurant und „Überseeshop“, und erzählen vom Kommerz und dem Luxusleben der Geschäftsleute aus vergangenen Tagen.

Wer mehr über die Verbindung von Tabakanbau, Kolonialismus und Sklaverei wissen will, wird von Roder allerdings auf die ständige Museums-Ausstellung verwiesen. Im Museums-Foyer geht es vor allem um „die genußvolle Seite des Rauchens“. Tabak sei ein „kleines Wunderkraut“, hatte schon 1622 der Bremer Philosoph und Arzt Johannes Neander in seiner „Tabacologia“ festgestellt. Er wägte Nutzen und Schaden der Pflanze ab. Später setzte sich die Meinung durch, das Kraut diene der „Klärung der Gehirnsäfte“. Deswegen solle es vorzüglich zum Kaffee und bei geschäftlichen Gesprächen genossen werden. Ergebnis solch nüchterner Verhandlungen: Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Bremen zu Europas größtem Umschlagplatz von Rohtabaken. Roder: „Das Tabakgeschäft startete zur Zeit der Auswanderung nach Amerika nach dem Prinzip,Tabak rein, Auswanderer raus'. So waren die Schiffe voll ausgenutzt.“ Um 1850 gab es 120 tabakverarbeitende Betriebe in der Stadt. Heute ist Bremen immerhin noch Deutschlands größter Tabak-Umschlaghafen, doch die verarbeitende Industrie wanderte in den vergangenen Jahren größtenteils ab.

Tabak-Produkte werden in Bremen dennoch weiter hergestellt. Zur Ausstellungseröffnung wurden denn auch (Bremer) Rauchwaren gratis verteilt - allerdings nur im Museums-Restaurant „Übersee“, denn im Museum ist das Rauchem verboten – außer im Restaurant. Das beteiligt sich auf seine Weise an der Tabak-Schau. Die Wände sind bebildert mit einer Galerie von ebenso berühmten wie toten Rauchern. Humphrey Bogart, Heiner Müller, Josef Stalin, Marlene Dietrich und andere Größen qualmen von der Wand, während Restaurant-Chef Ladislav Klein und Museums-Mann Roder von Krebs und Raucherbein nichts wissen wollen. „Wir sind keine Puristen und Moralisten. Jeder soll tun, was er will, solange es keinem anderen schadet“, sagt der Ausstellungs-Organisator. Und fügt hinzu: „Schließlich galt die Zigarre bis Revolution 1848 als Symbol des Widerstandes. Und Zigaretten rauchende Frauen waren das Sinnbild der Emanzipation.“ uk

Die Ausstellung ist bis 18. August täglich von 10 bis 2 Uhr nachts im Überseemuseum zu besichtigen.