Für Studenten wird Zeitunglesen teuer

■ Das Otto-Suhr-Institut will statt 326.000 Mark nur noch 96.000 Mark für Zeitschriften ausgeben. Von 609 Titeln wird es nur noch 173 geben. Kaum Protest

Die MitarbeiterInnen und StudentInnen des Otto-Suhr-Instituts (OSI) schwanken zwischen Wut und Resignation. Geht es nach der Bibliotheksleitung, wird es an dem Politik-Institut der Freien Universität einen Kahlschlag ohne Beispiel geben. Aufgrund der Mittelverknappung schlägt die Leitung vor, drei Viertel aller Zeitungen und Zeitschriften des Instituts abzubestellen. Ein unverständliches Übersoll, meinen die BibliotheksmitarbeiterInnen, denn die Vorgabe sei nur eine Kürzung um 40 Prozent gewesen. Die Summe der festen Verpflichtungen für Abonnementszeitungen und -zeitschriften soll nun von 326.000 auf 96.000 Mark heruntergefahren werden. Statt 609 Zeitschriften soll es in Zukunft nur noch 173 geben. Bisher wurden für alle PolitikstudentInnen 116 Zeitungen aus aller Welt gehalten. Nach den Sparmaßnahmen blieben ganze 20 bezahlte und sechs geschenkte Tageszeitungen übrig. Das bedeutet den Abschied für Neues Deutschland, junge Welt, Freitag, Junge Freiheit, Die Woche, Wochenpost, und Das Sonntagsblatt. Der Afrikabereich, bisher ein Forschungsschwerpunkt, wird faktisch dichtgemacht. Es soll nicht mehr hundert, sondern nur noch sechs Zeitschriften geben. Ganze zehn Auslandszeitungen sollen noch abonniert werden, aus jedem Land maximal eine.

Über Frankreich kann man sich deshalb nur noch aus Le Monde informieren, Libération, L'Humanité und der Figaro sollen unter den Tisch fallen. Aus Großbritannien wird es nur noch den Independent geben. International Herald Tribune wird die einzige US-amerikanische Zeitung sein. Und so geht es weiter.

Die Bibliotheksangestellten haben vor zwei Wochen eine Protestaktion gestartet und Kreuze an allen Titeln angebracht, die gestrichen werden sollen. Seitdem gleichen die Regale im OSI einem Friedhof. Die Proteste sind anscheinend ungehört verhallt. In der Fachbereichssitzung vor anderthalb Wochen wurden die Pläne der Bibliotheksleitung von den ProfessorInnen ohne deutlichen Widerspruch aufgenommen. Politikprofessor Elmar Altvater meinte, es sei schon eine Katastrophe, wenn den Politologen ihr „Werkzeug“ weggenommen werde, man habe aber keine Möglichkeit gesehen, die Sachmittelverkürzungen zu verhindern.

Vielleicht hoffen die Damen und Herren Professoren auf die Großzügigkeit der Verlage. Geschenkabos werden natürlich nicht abbestellt. Umsonst kommt zum Beispiel das Argentinische Tageblatt aus Buenos Aires und die Nationalzeitung aus München. Auch der Bayernkurier ist ein Geschenk. Jürgen Karwelat