Verbrecherjagd in sumpfigem Gelände

EU-Regierungen geben auf ihrem Gipfel in Florenz grünes Licht für Europol-Konvention. Eine Initiative zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit scheitert am Veto der Finanzminister  ■ Aus Florenz Alois Berger

Auf dem EU-Gipfel in Florenz ist den 15 Staats- und Regierungschefs der Durchbruch durch eine potemkinsche Wand gelungen. Der vor allem auf Druck von Bundeskanzler Helmut Kohl erreichte Kompromiß über die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes für Europol, möglich geworden durch das britische Einlenken, hat nur ein Randproblem gelöst. Von einer Kontrolle der europäischen Datensammelstelle Europol durch die Luxemburger Richter kann nicht die Rede sein.

Seit Anfang 1994 tauschen Polizeibeamte aus den 15 EU-Ländern in Den Haag Informationen aus den nationalen Poizeicomputern aus, vorerst nur über Verdächtige im Zusammenhang mit Drogenkriminalität. In nächster Zeit soll die Zuständigkeit auf Autoschieber, Geldwäscher, Menschenschlepper, Schmuggler radioaktiver Materialen und Terroristen ausgeweitet werden.

Doch bisher fehlt die gesetzliche Grundlage, die durch eine von allen EU-Mitgliedstaaten unterzeichnete und von den Parlamenten ratifizierte Europol-Konvention noch geschaffen werden muß. Darin sollen die Beamten in Den Haag auch das Recht bekommen, eigene Dateien über Verdächtige und ihr Umfeld anzulegen. Die bisherigen Entwürfe sehen auch vor, daß selbst rassische Merkmale und sexuelle Neigungen von Verdächtigen gespeichert werden dürfen.

Die Europol-Konvention scheiterte bislang am Widerstand der britischen Regierung, die sich gegen die Vorstellung sträubt, daß der Europäische Gerichtshof für die Auslegung der Konvention zuständig sein soll. London befürchtet eine schleichende Vergemeinschaftung der Innen- und Justizpolitik, was die nationale Souveränität aushöhlen würde.

Mit der Schaffung von Europol entsteht ein eigenartiger Zwitter: Eine internationale Institution, die nur von nationalen Gerichten kontrolliert werden kann. Wer beim nächsten Urlaub in die Fänge der spanischen Polizei gerät und gegen die Weitergabe seiner sexuellen Vorlieben und die Speicherung im Europol-Comupter klagen will, muß sich an die spanischen Gerichte wenden, die von Datenschutz möglicherweise andere Vorstellungen haben. Der jetzt in Florenz nur noch abgesegnete Kompromiß regelt kaum etwas. Er betrifft nur die Vorabentscheidungskompetenz des Europäischen Gerichtshofs bei Haftungsfragen. Mit anderen Worten: Wenn jemand aufgrund von Europol-Daten fälschlich verhaftet wurde und auf Schadenersatz klagt, kann das zuständige nationale Gericht beim Europäischen Gerichtshof um Hilfe bei der Auslegung der Europol-Konvention bitten. In Großbritannien gilt nicht einmal dieses Recht, weil die 15 EU-Chefs es den Ländern freigestellt haben, die Vorabentscheidung den Luxemburger Richtern zu übertragen. Eine generelle Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs in Streitfragen um Europol-Daten will auch die französische Regierung nicht.

Für Kohl ist die gemeinsame Verbrecherjagd längst zum Vorzeigeprojekt geworden. Er will Europol um jeden Preis und so schnell wie möglich. Deshalb konnte der britische Premier John Major in Florenz sogar beim Streit um den Rinderwahnsinn noch etwas herausschlagen. Damit seine Regierung ihre Blockadepolitik aufgibt, lockerten die EU-Chefs das Embargo. Unter bestimmten Umständen darf Großbritannien Fleisch in Länder außerhalb der EU verkaufen. Als wenig später die Europol- Entscheidung anstand, nickte Major Kohl nur noch müde zu. Jetzt müssen noch die 15 nationalen Parlamente der Konvention zustimmen.

Eine andere Initiative, mit der EU-Kommissionspräsident Jacques Santer Vertrauen in die EU schaffen wollte, wurde auf dem Gipfel in Florenz niedergestimmt. Santer hatte angesichts der 18 Millionen Arbeitslosen in der Europäischen Union zu einer gemeinsamen Anstrengung für neue Jobs aufgerufen. Er forderte die Erlaubnis, einige Milliarden Mark aus dem EU-Agrarbudget für arbeitsintensive Infrastrukturprojekte umschichten zu dürfen.

Doch die Finanzminister wollen mit dem Geld lieber die Löcher in den nationalen Kassen stopfen. Ein Teil soll zudem für die Entschädigung der Bauern bereitgestellt werden, die jetzt Ausfälle wegen des Rinderwahnsinns haben. In Florenz wurden die bereits genehmigten 1,3 Milliarden für BSE- Schäden um weitere 400 Milliarden Mark angehoben. Für die Arbeitslosen ist nichts mehr da. Beschäftigungspolitik, meinte Bundeskanzler Kohl dazu, sei Aufgabe der nationalen Regierungen.