■ Mit Tiermehlstatistiken auf du und du
: Keiner blickt durch

Memmingen (taz) – Das Tohuwabohu könnte größer nicht sein. Zunächst wird allenthalben bestätigt, daß britisches Tiermehl bis in jüngste Zeit nach Deutschland importiert wurde. Zustimmendes Nicken vom Statistischen Bundesamt über den Deutschen Bauernverband bis hin zum Landwirtschaftsministerium. Nicken und versichern, „aber niemals wurde es an deutsche Rinder verfüttert“, in einem Atemzug. Dann kurz darauf das Dementi aus dem Ministerium: Das Statistische Bundesamt habe sich getäuscht.

Zwei Zahlen und der Umgang damit machen deutlich, wie wenig man sich auf Statistiken verlassen kann: Es geht jeweils um die Positionsnummer 230.110.000 – das sind Tiermehl, Pellets und Grieben. Die der taz für die Jahre 1993 bis 1995 vorliegenden britischen Ausfuhrstatistiken weisen in Zeile vier folgende Tiermehlexporte nach Deutschland aus: 5.467 Kilo (1993), 100 Kilo (1994) und 22.700 Kilogramm (1995). Doch diese offiziellen Ausfuhrzahlen der Briten fehlen in der Deutschen Einfuhrstatistik. Hingegen waren in der BRD-Einfuhrstatistik zunächst für Januar 1996 noch 78.600 Kilogramm britisches Tiermehl verzeichnet. Das ist jenes Tiermehl, dessen Einfuhr von den oben genannten Stellen zunächst bestätigt wurde. Dann freilich die Kehrtwende, verkündet vom Landwirtschaftsministerium.

Der Leiter der Außenhandelsstatistik beim Bundesamt erklärt dies so: Der deutsche Einführer sei befragt worden und habe erklärt, die 78,6 Tonnen stammten nicht aus England, sondern aus Holland. Die Niederlande gab der Importeur auch als Ursprungsland an und legte dafür eine Rechnung als Nachweis vor. Schon war aus dem britischen Tiermehl „sauberes“ holländisches geworden.

Wo freilich die offiziell von England ausgeführten 22,7 Tonnen von 1995 geblieben sind, bleibt ein Rätsel. Möglicherweise, so die Statistiker, sei dieses Tiermehl in kleineren Mengen an nicht nachweis- und anzeigepflichtige landwirtschaftliche Betriebe gegangen. Dann nämlich handelt es sich um sogenannte „Non-response-Fälle“. Doch auch holländisches Tiermehl muß nicht sauber sein – mit knapp 3,5 Millionen Kilogramm waren die Niederlande 1995 der Hauptimporteur von britischem Tiermehl in der EU und hinter Indonesien der zweitgrößte Abnehmer weltweit. Klaus Wittmann