„Einsatz für Menschenrechte hat einen Preis“

■ Norbert Gansel zur Ausladung Kinkels und deutsch-chinesischen Handelsbeziehungen

Norbert Gansel, SPD, der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, äußert sich zur Ausladung von Außenminister Klaus Kinkel, der im Juli Peking besuchen wollte. Gansel bereiste China zum letzten Mal im Februar diesen Jahres.

taz: Herr Gansel, wie beurteilen Sie Kinkels Ausladung?

Norbert Gansel: China nimmt offenbar die praktisch einmütige Resolution des Bundestages ernst. Mit dieser Reaktion wird das Interesse der Weltöffentlichkeit stärker auf die traurige Menschenrechtslage in Tibet gelenkt.

Welche Folgen befürchten Sie für das deutsch-chinesische Verhältnis?

Es wird hoffentlich dazu beitragen, den Realitätssinn auf beiden Seiten zu schärfen. Auf deutscher Seite muß man wissen, daß es kein Eintreten für Menschenrechte gibt, das nicht auch seinen Preis hat. Auf chinesischer Seite muß gelernt werden, daß es sich an die zivilisierten Normen des internationalen Verkehrs halten muß, auch die Europäer wollen nicht ihr Gesicht verlieren.

Politiker protestieren gegen Chinas Tibet-Politik und die deutsche Wirtschaft treibt schwunghaften Handel mit Peking. In den ersten fünf Monaten investierten deutsche Unternehmen 3 Milliarden Mark in Projekte, genausoviel wie im gesamten Jahr zuvor. Ist das nicht ein Bruch in der China- Politik?

China hatte 1995 gegenüber Deutschland einen Exportüberschuß von etwa 5 Milliarden Mark. 1994 und 1995 sind deutsche Investitionen mit insgesamt 6 Milliarden Mark mit Hermes-Bürgschaften abgesichert worden. China erhält einen Großteil unserer Entwicklungshilfe. Wirtschaftsbeziehungen müssen im gegenseitigen Interesse erfolgen. Es darf nicht dazu kommen, daß wir Exporte nach China finanziell subventionieren und auch noch politisch und moralisch, indem wir China sozusagen einen internationalen Freifahrtschein für Menschenrechtsverstöße, Waffenexporte und Atombombenversuche geben. Die Wirtschaftsbeziehungen haben sich bislang eher im Interesse Chinas als im Interesse der Bundesrepublik entwickelt.

Demnach halten auch Sie sich an die Parole: Wandel durch Handel?

Die Wirtschaft will Geschäfte machen. Das soll sie auch. Die Politik darf sich davon nicht vereinnahmen lassen. Natürlich bedeutet Handel auch Wandel. Allein die Vorstellung, man könnte das diktatorische und korrupte Herrschaftssystem der chinesischen Kommunisten allein dadurch im westlichen Sinne reformieren, ist illusorisch. Interview: Annette Rogalla