Spätzle statt Pekingente

■ China lädt Außenminister Klaus Kinkel wegen Tibet-Resolution des Bundestags aus

Berlin/Peking (taz/dpa/rtr) – Frühlingsrolle bekommt Klaus Kinkel vorerst nur aus der Tiefkühltruhe. Nach China darf der Bundesaußenminister nicht fahren. Aus Protest gegen die vom Bundestag verabschiedete Tibet-Resolution hat die chinesische Regierung ihn gestern ausgeladen. Zum zweitenmal binnen zwei Tagen wurde der Deutsche Botschafter Konrad Seitz ins Pekinger Außenministerium zitiert. „Die Aktion des Parlaments tritt das Völkerrecht öffentlich mit Füßen und ist eine schwere Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas“, bekam er dort zu hören: Die Atmosphäre sei für einen Besuch Kinkels nicht geeignet.

Kinkel hatte vom 10. bis zum 13. Juli nach China reisen wollen – zum erstenmal seit November 1992 und mit einem Troß von Geschäftsleuten. Um die Chinesen nicht zu verstimmen, hatte er sogar der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung die Staatsgelder für eine Tibet-Tagung gestrichen. Auf chinesischen Druck mußte die Stiftung ihr Büro in Peking schließen.

Endgültig durcheinander brachte Kinkels Reisepläne die Tibet-Debatte des Bundestags am vergangenen Donnerstag. In einem von den Fraktionsvorsitzenden von CDU/ CSU, FDP, SPD und Grünen unterzeichneten Antrag werden chinesische Menschenrechtsverletzungen in Tibet scharf kritisiert. Die chinesische Führung solle mit dem Dalai Lama und der „tibetischen Exilregierung“ Verhandlungen aufnehmen. Um Kinkel nicht gänzlich als Weichei in Sachen Menschenrechte dastehen zu lassen, wurde der Antrag nicht entschärft. Mit Ausnahme einiger PDSler stimmten alle Abgeordneten dem Tritt vor das chinesische Schienbein zu – gestern kam die Quittung.

Kinkel bedauerte gestern seine Ausladung. „Innenpolitische Instrumentalisierungsversuche“ sollten in den Beziehungen zwischen Deutschland und China unterbleiben, ließ der Außenminister in Bonn erklären. Im Rahmen der deutsch- chinesischen Beziehungen müsse es möglich sein, Menschenrechtsfragen offen anzusprechen. Zugleich verteidigte der Minister die von China heftig kritisierte Tibet- Resolution des Bundestags: Das Parlament habe das Recht, „sich der Menschenrechtssituation in Tibet durch eine klare Resolution anzunehmen“.

Für den Vizechef der SPD-Fraktion, Dieter Verheugen, ist die Chinapolitik der Bundesregierung ein „Totalbankrott“. Norbert Gansel (SPD) sieht auch Positives: Jetzt werde „das Interesse der Weltöffentlichkeit stärker auf die traurige Menschenrechtslage in Tibet gelenkt“, sagte er gegenüber der taz. Unklar ist, ob jetzt auch Roman Herzog seine für Herbst geplante Chinareise absagen muß. Der Bundespräsident hatte am Samstag Gerüchte über seine Reisepläne bestätigt. In Bonn war zuvor gemunkelt worden, Herzog wolle den Chinesen mit einer Absage drohen, falls diese Anstalten machten, Kinkel nicht zu empfangen. Seite 4