Türken sind keine „fünfte Kolonne“ der CDU

■ Interview mit Emine Demirbüken. Sie ist Ausländerbeauftragte im Berliner Bezirk Schöneberg und Mitglied im Landesvorstand der Jungen Union Berlin

taz: Warum sind Sie der CDU beigetreten?

Emine Demirbüken: In der CDU gibt es eine von außen kaum registrierte Opposition. Ich habe meinen Platz in dieser Opposition gesehen, in dem liberalen Flügel, der für die doppelte Staatsbürgerschaft oder das Territorialrecht eintritt. Menschen in der CDU stehen nicht nur für diese Ziele, sie kämpfen auch dafür. Außerdem kann ich mich auch mit den Grundwerten wie Toleranz oder Familiensinn identifizieren.

In der CDU soll es Kreise geben, die neue Mitglieder wie Sie mit ihren migrantenspezifischen Zielen als eine Art „fünfte Kolonne“ betrachten...

...das finde ich einfach dumm. In der Politik kämpft jeder darum, für sein Anliegen Mehrheiten zu schaffen. Ich hätte keine Bedenken, andere Freunde mit in die Partei zu nehmen, um mehr Leute für unsere Interessen mobilisieren zu können. Das Gerede von der „fünften Kolonne“ ist unbedacht und falsch, es ärgert mich.

Die neuen Sparpläne der Regierung werden vor allem die treffen, die sowieso zu den Verlierern in der Krise gehören. Das sind auch türkische Arbeiter und ihre Familien. Tragen Sie diese Politik mit?

Ich bin nicht 100prozentig mit dem einverstanden, was die Partei unternimmt. Ich fürchte, daß wir unbedacht am falschen Ende sparen. Wenn ich sehe, was in unserem Bezirk an Jugendarbeit gespart wird, kann ich das nicht gutheißen. Die Einsparungen werden nicht kompensiert. Während die Jugendfreizeitheime bald nicht mehr arbeiten können, gibt es keine Alternativen, die Jugendlichen von der Straße zu holen.

Was wäre die Alternative?

Daß wir sparen müssen, steht fest, aber wichtig ist, an den Stellen so zu sparen, daß die Infrastruktur nicht zerbricht und daß uns das nicht später viel mehr an Ressourcen kostet.

Sie vertreten eine Minderheit, die immer noch größtenteils aus Arbeitern und ihren Familien besteht. Ist die CDU nicht eher eine Partei der Reichen?

Ich sehe das zumindest auf der Bezirksebene nicht so. Bei uns in Neukölln, und es ist ja ein Arbeiterviertel, gibt es eine gesunde Mischung, mit vielen Arbeitern als Mitglieder. Sie arbeiten in Ausschüssen mit, wo über ihre Probleme beraten wird. Wir haben zum Beispiel einen Mann im Ortsverband, der am laufenden Band Lehrlinge in seinem Betrieb einstellt, wir gehen also zu den Jugendlichen, erzählen ihnen davon und versuchen, ihnen eine Lehrstelle zu vermitteln. Die CDU mag ganz oben wie eine Unternehmerpartei aussehen, je weiter runter man kommt, desto gesünder aber die Mischung.

Ist es nicht seltsam, daß es in Berlin drei führende türkische Mitglieder in der CDU gibt, die keinen Kontakt zueinander pflegen?

Das ist kein seltsamer, sondern ein trauriger Zustand. Was die Konkurrenz um eine Mittlerrolle zwischen allen Beteiligten betrifft: Konkurrenz ist doch das Wesen der Politik, insofern ist das normal. Wir kämpfen in der gleichen Partei um dieselben Belange. Da ist es unumgänglich, miteinander in Dialog zu treten. Interview: Dilek Zaptçioglu