Denk mal an die Asyldebatte!

■ Mahnmal am ehemaligen Berliner Verwaltungsgericht erinnert an Cemal Kemal Altun

Sechs Jahre nach Altuns Tod ließ die Bezirksverordnetenversammlung von Charlottenburg ein Mahnmal für den türkischen Asylbewerber errichten. Die Bezirksbürgermeisterin Monika Wissel gehörte zu den Hauptbefürwortern des Denkmals. „Wenn ich überlege, warum ein Mensch sich lieber in den Freitod stürzt als hier leben zu wollen, dann ist es wichtig, daß immer wieder darauf aufmerksam gemacht wird“, erläutert Wissel, „das kann man am besten mit einem Mahnmal machen.“ Die Aufstellung des Denkmals wurde jedoch wegen finanzieller Probleme jahrelang verzögert. Schließlich konnten im Rahmen einer Spendenaktion 25.000 DM gesammelt werden. Der Berliner Künstler Akbar Behkalem verzichtete auf sein Honorar und meißelte aus hartem Granitstein einen kopfüber herunterstürzenden Menschen mit ausgestreckten Armen. Für ihn symbolisiert dieses Mahnmal nicht nur Kemal Altun, sondern „alle Ungerechtigkeiten gegen Menschen“. Die 2,40 Meter große Skulptur steht nun seit längerem vor dem ehemaligen Verwaltungsgericht an der Hardenbergstraße.

Das Denkmal erinnert auch an 25 Asylbewerber, die sich seit der Änderung des Grundgesetzes vor drei Jahren aus Angst vor Abschiebung in Deutschland umgebracht haben. „Es soll dafür sorgen, daß so etwas sich nicht wiederholt“, sagt die Ausländerbeauftragte von Charlottenburg, Azize Tank. Politisches Asyl müsse für jeden Menschen möglich sein.

Der Freitod des türkischen Asylbewerbers Cemal Kemal Altun hatte 1983 große Erschütterung in der deutschen Öffentlichkeit ausgelöst. Es gab heftige Proteste gegen schlechte Behandlung der Asylsuchenden, der Name Altun wurde zum Synonym für Zehntausende, die in ihrer Verzweiflung nach Deutschland flüchteten und hier eine neue Heimat suchten. Der 21jährige Student hatte zwei Jahre zuvor einen Asylantrag gestellt, weil er in der Türkei mit einem politischen Mord in Verbindung gebracht wurde. Obwohl Altun in erster Instanz als Asylberechtigter anerkannt wurde, hing sein Schicksal die ganze Zeit an einem seidenen Faden. Die Bundesregierung hatte gegen den Anerkennungsbescheid Klage erhoben und einen Auslieferungsantrag gestellt. Im August 1983 begann die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht in Berlin. Völlig zermürbt durch den monatelangen Kampf sprang Altun am zweiten Verhandlungstag aus dem sechsten Stock des Gerichtsgebäudes und nahm sich das Leben. „Er war ein sehr zurückgezogener und bescheidener Mensch“, erinnert sich die Präsidentin der Internationalen Liga für Menschenrechte, Alisa Fuss. Bei den vorhergehenden Verhandlungen sei Altun dermaßen unter Druck gesetzt worden, daß er den Eindruck gewonnen habe, daß „sein Fall verloren sei“.

Ähnlich urteilt auch Altuns damaliger Anwalt, Wolfgang Wieland. „Es ist eine Schande für die Bundesrepublik Deutschland, daß jemand, der sich hilfesuchend an die Behörden wendet, dafür 13 Monate eingesperrt wird“, sagt der jetzige Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. „Er war so verzweifelt, daß er seinem Leben auf so dramatische und spektakuläre Weise ein Ende gesetzt hat.“ Ayhan Bakirdögen