■ Der Militär Lebed ist der neue Superstar im Kreml
: Primat der Politik

Alexander Lebed, Rußlands neuer Shooting-Star, wird landes- und traditionsgemäß als heilandhafter Retter gefeiert. Per Fußtritt verjagte er die Kriegspartei aus den Kabinetten des Kreml und deutet sogar die Möglichkeit an, die Tschetschenen in die Unabhängigkeit zu entlassen. Das Blutbad wäre umsonst gewesen. Lebed verkündet dies – und keiner widerspricht, nicht einmal national-chauvinistische Träumer. Mit Lebed ist Rußland der Terminator II – der Gute – erschienen. Ihm wird nicht widersprochen, denn er hat entschieden. Denn auch der bullige Militär ist ein glühender Patriot, dem es „um die Großmacht leid tut“, so der Titel seines Buches. Es wäre wohl verfrüht, im Militär Lebed einen Politiker zu sehen, der sich von russischem Nationalismus befreit hätte.

Und doch: Lebed verkörpert einen Militär, in dessen Augen die Politik ein Primat gegenüber der Gewalt besitzt. Als er den Transdnjestr-Konflikt in Moldawien ohne Blutvergießen beilegte, gab er eine Kostprobe. Desgleichen scheint er zu sehr Militär, um die Hochschätzung, die er in Armeekreisen genießt, als politisches Druckmittel zu gebrauchen. Bisher trennt er dazwischen fein säuberlich. Ein gelehriger Schüler Clausewitz'. Der Beginn des Kaukasuskrieges besiegelte die Karriere des Militärs Lebed und legte den Grundstein für den schwindelerregenden Gipfelsturm des Politikers. Damals kritisierte er offen den Einmarsch und zieh die Verantwortlichen, ihr Kriegshandwerk nicht zu beherrschen.

Wenn Lebed und die demokratische Öffentlichkeit es zulassen, könnte der Kaukasus bald befriedet und Tschetschenien unabhängig sein. Bisher hat Lebed stets Wort gehalten (wer weiß allerdings, wie ihn die Macht verdirbt?). Er leidet am imperialen Rußland – indes anders als viele andere Militärs, die auf Menschenleben pfiffen. Nicht umsonst verehren ihn die einfachen Truppen wie einen Abgott.

Wichtig ist auch, daß Lebed im Gegensatz zum Kommunisten Sjuagnow und zum Chauvinisten Schirinowski kein Rassist ist. Ein Unterschied, den die Tschetschenen zu schätzen wissen. Dennoch wird für sie die Unabhängigkeit kein Zuckerschlecken. Im Süden erheben sich die Wände des Kaukasus, alle anderen Richtungen würde auch Lebed zubetonieren lassen. An Wiedergutmachung denkt auch er nicht. Klaus-Helge Donath