Weitere Tiefschläge für die Föderation in Bosnien

■ Auch die Kroaten in Bosnien wollen nur ihren Teilstaat „Herceg-Bosna“ stärken

Mostar (taz) – Erneut zeigen sich tiefe Risse in der muslimisch- kroatischen Föderation in Bosnien-Herzegowina. Zwar sieht die EU-Verwaltung in Mostar die für den 30. Juni angesetzten Wahlen nicht als gefährdet an, dennoch zeigte sich die EU-Präsidentschaft vergangene Woche in einer Erklärung äußerst besorgt über das Wiedererstarken der sogenannten Republik „Herceg-Bosna“.

Vor knapp zwei Wochen hatte der als Extremist eingestufte ehemalige Bürgermeister von Capljina, Pero Marković, das Amt des Ministerpräsidenten von Herceg- Bosna übernommen und den bosnisch-kroatischen Teilstaat reaktiviert. Dieser Schritt stellt eine Verletzung des Dayton-Abkommens dar. In der EU-Erklärung wird deshalb die kroatische Regierung in Zagreb aufgefordert, die Regierung Marković zur Selbstauflösung zu veranlassen.

Nach dem Dayton-Abkommen hätte der kroatische Separatstaat Herceg-Bosna schon längst in der Föderation aufgehen müssen. In dem Gebiet, das rund ein Viertel des Territoriums von ganz Bosnien umfaßt, wird nur ausgeführt, was die „eigene Regierung“ in West- Mostar beschließt. Die Institutionen der Föderation in Sarajevo haben keinen Einfluß im kroatischen Siedlungsgebiet der Westherzegowina, den kroatischen Enklaven Jajce, Vitez und Kiseljak und dem ostbosnischen Gebieten um Orašje und Odzak.

Anlaß für die aktuelle Machtübernahme der Extremisten in Herceg-Bosna sind einerseits eine geplante Verwaltungsreform und andererseits die Verhandlungen über die Vereinigung der kroatisch-bosnischen Truppen (HVO) mit der bosnischen Armee. Die Führung des kroatischen Verteidigungsrates (HVO) befürchtet, bei einer Verschmelzung beider Armeen die Kontrolle über die kroatisch dominierten Gebiete zu verlieren. Sie möchte lediglich eine Kooperation, während Sarajevo auf eine einheitliche Armee drängt. Mit der Installierung von Pero Marković, so kroatisch-bosnische Militärs, solle die Eigenständigkeit der Kroaten in Bosnien demonstriert werden. Der bosnisch- herzegowinische Außenminister und frühere Ministerpräsident von Herceg-Bosna, Jadranko Prlić, bezeichnete dies gegenüber der taz jedoch als politischen Fehler. „Ich werde mit dem kroatischen Präsidenten Tudjman sprechen, damit er korrigiert wird.“ Mit Pero Marković habe man lediglich unnötig internationale Kritik herausgefordert.

Fast unbemerkt von der internationalen Öffentlichkeit hatte Marković zusammen mit dem als geschäftsführender Präsident der kroatischen Teilrepublik fungierenden Ivan Bender über die Politik in Mostar bestimmt. Gemeinsam blockierten sie die Entwicklung der kroatisch-muslimischen Föderation. Und erklärten jetzt, da die Föderation nicht funktioniere, müsse man die staatlichen Strukturen Herceg-Bosnas erhalten.

Pero Marković war in den Jahren des offenen Krieges zwischen Kroaten und Bosniaken (Muslimen) Bürgermeister der nahe Mostar liegenden Grenzstadt Capljina. Als solcher ist er verantwortlich für die Vertreibung von rund 20.000 Muslimen und Serben aus der Stadt und der Region Capljina- Stolac im Sommer 1993. Damals wurden in Capljina zwei Konzentrationslager für gefangene muslimische Soldaten eingerichtet, die vorher in der kroatischen HVO gemeinsam mit den Kroaten gegen die serbisch-bosnische Armee gekämpft und das von Serben besetzte Mostar 1992 zurückerobert hatten. In den Lagern in Dretelj und Gabela waren zusammengenommen rund 10.000 Gefangene festgehalten, bevor sie im Oktober 1993 wieder freigelassen wurden.

Die kroatischen Extremisten verfolgen mit ihrem offenen Auftreten jedoch auch innenpolitische Ziele. Sie wollen den kroatischen Bürgermeister von West-Mostar, Mile Brajković, der ihnen zu moderat geworden ist, aus seinem Amt entfernen. Sie unterstützen bei den Wahlen den radikaleren Jadran Topić, Chef der kroatischen Nationalpartei HDZ in Mostar. Erich Rathfelder