Rumänien bittet um Einlaß

Erstmals stattet der rumänische Staatschef Deutschland einen offiziellen Besuch ab. Ion Iliescu wirbt um Investitionen und die Westintegration  ■ Von Barbara Oertel

Berlin (taz) – Ion Iliescu hat es geschafft: Anläßlich seines ersten offiziellen Staatsbesuchs in Deutschland wird für den rumänischen Präsidenten heute nun doch noch der rote Teppich ausgerollt. Bislang tat sich Bonn schwer mit dem Staatschef des Balkanlandes. In dessen Auftrag hatten Bergarbeiter im Juli 1990 in Bukarest demonstrierende Studenten zusammengeschlagen. Dafür bedankte sich der Präsident auch noch öffentlich.

Mehrmals klopfte Iliescu vergeblich an die Türen deutscher Spitzenpolitiker. Nach einem inoffiziellen Besuch im Dezember 1994 in Berlin, reiste er im Oktober vergangenen Jahres zur Präsentation seines Buches „Aufbruch nach Europa“ nach Frankfurt am Main. Auch dort hielt die politische Elite sich bedeckt. Nur der hessische Ministerpräsident Hans Eichel traf sich mit Iliescu.

Dieses Mal wird der rumänische Staatschef an höchster Stelle vorgelassen. Außer Gesprächen mit Bundeskanzler Helmut Kohl, Bundespräsident Roman Herzog und den Bundesministern Theo Waigel und Klaus Kinkel sind Treffen mit den Fraktionsvorsitzenden von SPD und FDP vorgesehen. Empfangen werden Rumäniens Staatschef überdies die Ministerpräsidenten von Thüringen und Nordrhein-Westfalen. In München muß Iliescu mit dem Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr vorlieb nehmen.

Iliescu hat sich für seinen Besuch einiges vorgenommen. Er will die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Staaten anschieben. Zwar ist Deutschland wichtigster Außenhandelspartner Rumäniens. 1995 standen deutschen Importen im Wert von 2,1 Milliarden Mark Exporte von 2,6 Milliarden Mark gegenüber. Auch liegen deutsche Firmen mit rund 170 Millionen Dollar bei ausländischen Gesamtinvestitionen von 1,8 Milliarden Dollar an der Spitze. Doch die Rumänen wünschen sich ein noch stärkeres Engagement.

Mindestens genauso wichtig wie Wirtschaftsfragen dürfte für Iliescu die Westintegration Rumäniens in EU und Nato sein. Mit wachsendem Unbehagen verfolgt Bukarest die Verhandlungen mit Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei als erste Kandidaten für eine Aufnahme in den Klub der Auserwählten. Rumänien, das als erstes Land des ehemaligen Ostblocks im Januar 1994 dem Nato- Programm „Partnerschaft für den Frieden“ beitrat, fühlt sich aufs Abstellgleis geschoben. Erst unlängst beschwor Iliescu die Gefahr von Spannungen in der Region, sollten die Länder des ehemaligen Ostblocks in Etappen in die westlichen Strukturen intergiert werden.

Daß Iliescu gerade in Bonn dieses Thema zur Sprache bringen will, hat seinen guten Grund. Deutschland kommt, nach Meinung Rumäniens, bei der Westintegration eine Schlüsselrolle und damit auch die Hauptschuld für die „Diskriminierung“ des Landes zu, die vom nationalistischen Lager in Rumänien propagandistisch ausgeschlachtet wird. So schrieb Cristian Tudor Popescu, stellvertretender Chefredakteur der großen Tageszeitung Adevarul, bezüglich der negativen deutschen Berichterstattung über rumänische Panzerknackerbanden: „Rumänien, wie auch Bulgarien hat keine visumfreie Einreise in die EU, im Gegensatz zu Ländern wie Tschechien, Polen und Ungarn, die schon halbe deutsche Kolonien sind. Auch wenn diese billige Propaganda ihren Ursprung eher in Ungarn hat, ist eines klar: Deutschland hat uns niemals geliebt und wird das auch künftig nicht tun.“

Neben der Werbung für Rumänien geht es Iliescu in Bonn auch um sein eigenes Image. Denn am 3. November werden in Rumänien Parlament und Staatspräsident gewählt. Positive Wirtschaftsdaten sowie eine angebliche Verbesserung der Beziehungen zu Ungarn können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Bilanz negativ ausfällt: Der Grundlagenvertrag mit Ungarn ist noch nicht ratifiziert, eine wirtschaftliche Erholung des Landes nicht in Sicht. Nach den Worten von Bogdan Hossu vom Gewerkschaftskartell Alpha lebt derzeit die Hälfte der Rumänen unter dem Existenzminimum.

Wenngleich die Mehrheit der Bevölkerung die Schuld für die Misere in erster Linie der Regierung von Ministerpräsident Nicolae Vacaroiu anlastet, die sich nach wie vor von extremistischen Parteien tolerieren läßt, so ist auch das Image von Ion Iliescu angekratzt. Nicht zuletzt die Kommunalwahlen vom 2. Juni haben gezeigt, daß Iliescu und seine Partei der Sozialen Demokratie (PDSR) an Rückhalt in der Bevölkerung eingebüßt haben. In vielen Großstädten mußte mangels Beteiligung erneut gewählt werden. Der demokratische Oppositionskandidat Viktor Ciorba siegte mit rund 57 Prozent der Stimmen gegen seinen Konkurrenten von der PDSR, Ilie Nastase, im Rennen um den Bukarester Bürgermeistersessel.

Daß es in Rumänien im November zu einem Machtwechsel kommen könnte, ist wohl ein Grund dafür, daß die Regierung eine Änderung des Wahlrechts wieder von der Tagesordnung abgesetzt hat. Die Diskussion darüber hatte die PDSR zu Beginn dieses Jahres mit in Gang gebracht. Dem Vorschlag zufolge soll die Dreiprozenthürde für Einzelparteien auf fünf, für Parteienbündnisse auf mindestens acht Prozent heraufgesetzt werden. Seit den Kommunalwahlen ist davon keine Rede mehr.