Bombenterror im Inselemirat Bahrain

■ Der sunnitische Emir glaubt an ein von Iran gesteuertes schiitisches Komplott

Berlin (taz) – Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche ist in Bahrain am Sonntag eine Bombe explodiert. Der Sprengsatz ging in einem Auto vor einem Hotel im Zentrum der Hauptstadt Manama hoch. Verletzt wurde niemand, das Hotel wurde leicht beschädigt. Anschließend meldete sich im Büro der Nachrichtenagentur AP ein anonymer Anrufer und erklärte, mit dem Anschlag solle die Staatsführung zur Freilassung politischer Häftlinge gezwungen werden.

Rechtsanwälte in Bahrain sprechen von 2.000 politischen Häftlingen. Parteien sind verboten, Oppositionelle leben im Untergrund, im Ausland oder im Gefängnis. 1975 hatte der seit 1961 herrschende Emir Scheich Isa Ibn Salman al- Chalifa das Parlament auflösen lassen und einen Nationalen Konsultativrat installiert, dessen 30 Mitglieder er alle vier Jahre selbst ernennt. Seit Anfang 1994 kommt der im Persischen Golf gelegene Inselstaat Bahrain nicht zur Ruhe: Die Explosion am Sonntag war die elfte in diesem Jahr. Nach staatlichen Angaben sind bisher 29 Menschen bei Unruhen und Anschlägen zu Tode gekommen. Das bahrainische Herrscherhaus macht für die Anschläge den Iran verantwortlich. Die Drahtzieher säßen unter den 250 bahrainischen Studenten an den theologischen Schulen im iranischen Qom. Am 5. Juni präsentierte das bahrainische Fernsehen sechs bärtige junge Männer, die erklärten, im Auftrag Irans an einem Putschversuch gegen al-Chalifa beteiligt gewesen zu sein. Ausländische Beobachter zweifeln jedoch an dieser „Iran-Connection“. „Das ist gutes Theater“, zitierte die britische Financial Times nach der TV- Sendung einen Diplomaten. Ein westlicher Bankier meint, die eigentlichen Ursachen für die Unruhen seien „hausgemacht“: Die Bevölkerung wachse wesentlich schneller als die Wirtschaft, die Folge seien Armut und Arbeitslosigkeit. Diese Ursachen würden nicht einfach durch „Anschuldigungen gegen den Iran oder die Verhaftung Verdächtiger verschwinden.“

Die bahrainische Opposition ist schiitisch dominiert, was bei der Bevölkerungsstruktur des Landes nicht verwundert. 70 Prozent der 550.000 Einwohner Bahrains (370.000 davon sind Ausländer, die meisten jedoch Araber) sind Schiiten – regiert werden sie autokratisch von dem sunnitischen Herrscherhaus der al-Chalifa und einem Staatsapparat, dessen Schlüsselpositionen ausschließlich Sunniten besetzen. Die Forderungen der Schiiten sind nicht religiös, sondern zumeist politisch. So verlangt die in London ansässige „Bahrain Freiheitsbewegung“ schlicht Demokratie. Emir Chalifa reagiert auf dieses Ansinnen stets rigide. Demonstrationen werden niedergeknüppelt. Und als im Oktober 1994 insgesamt 25.000 Menschen in einer Petition die Wiedereinsetzung des Parlaments forderten, verloren Tausende Unterzeichner ihre Jobs – Schiiten und Sunniten. Dennoch gelingt es dem Herrscherhaus, seine Unterdrückungspolitik international als Kampf gegen eine dubiose vom Iran gesponserte „schiitische Gefahr“ zu verkaufen. Thomas Dreger