Israels Regierung läßt Araber abblitzen

Für Benjamin Netanjahu ist die Abschlußerklärung des arabischen Gipfels von Kairo nicht akzeptabel. Dennoch freut er sich, daß darin von Sanktionen gegen Israel keine Rede ist  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Für Benjamin Netanjahu ist die Abschlußerklärung des arabischen Gipfels in Kairo unvereinbar mit dem Nahost-Friedensprozeß. Gestern erklärte Israels neuer Regierungschef, die in der am Sonntag veröffentlichten Erklärung enthaltene Vorbedingungen für Verhandlungen mit Israel gefährdeten dessen Sicherheit. „Friedensverhandlungen müssen in Einklang mit den Sicherheitsinteressen aller Völker der Region gebracht werden“, sagte Netanjahu vor den Delegierten einer Jahreskonferenz der Jewish Agency. „Wir lassen uns von den arabischen Staaten nichts vorschreiben.“

Etwas vorsichtiger äußerte sich Außenminister David Levy: Die Kairoer Erklärung enthalte Elemente, „die einer günstigen Atmosphäre zur Fortführung der Friedensverhandlung nicht zuträglich sind.“ Die Formulierungen klängen „fast wie Diktate“. Frieden lasse „sich nicht diktieren oder durch einen Stil forcieren, der wie eine Drohung klingt“. Als inakzeptable Vorbedingungen gelten in Israel die Forderungen nach Gründung eines palästinensischen Staates mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt, nach Räumung der noch besetzten Gebiete im Westjordanland und im Gaza-Streifen, des Golan und des Südlibanon sowie das Verlangen, keine neuen Siedlungen zu bauen und bereits bestehende Siedlungen abzubrechen.

Mit Genugtung registriert die Regierung Netanjahu, daß in der Kairoer Erklärung keine Rede von Sanktionen gegen Israel die Rede ist und auch die von einigen arabischen Staaten geforderte Einschränkung bereits bestehender Beziehungen zu Israel nicht auftaucht. Israelische Medien betonen, daß sich dank US-amerikanischer Interventionen die moderate Linie der ägyptischen und jordanischen Führung durchgesetzt habe. Auch das von Netanjahu wiederholt nach Kairo und Amman gerichtete „Gebt mir Zeit!“ soll den Ton der Erklärung günstig beeinflußt haben.

Der israelische Nahostexperte, Abraham Sela von der Universität Jerusalem, weist darauf hin, daß die Kairoer Konferenz besonders auf die Weiterführung des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses bestehe. „In diesem Zusammenhang bleiben Probleme wie die Umgruppierung israelischer Truppen in Hebron und die Endphase-Verhandlungen zwischen Israel und der palästinensischen Führung entscheidende Faktoren für eine weitere Normalisierung“, schreibt er in der Jerusalem Post. Ein anderer Nahostexperte, Jossi Olmert, weist auf die fehlende Einheit der arabischen Welt hin. Das gebe Israel die Möglichkeit, „in einer gespaltenen arabische Welt zu manövrieren“.

Der bisherige Minister unter Schimon Peres, Jossi Beilin, meint, die arabischen Vertreter hätten sich gerade noch auf den untersten gemeinsamen Nenner einigen können. Er vergleicht die Abschlußerklärung von Kairo mit den „großen Worten“ von Likud-Politikern. In beiden Fällen würden die Phrasen angesichts der Realität rasch von pragmatischen Formulierungen abgelöst. Auf israelischer Seite könnte sich dieser Effekt schon in den nächsten Tagen einstellen. Dann wird US-Außenminister Warren Christopher in Jerusalem erwartet. Er wird von Netanjahu klipp und klar wissen wollen, wie es in Hebron, Jerusalem, dem Südlibanon und den Verhandlungen mit Syrien weitergeht.