Hetz-Inserat kam bei Zeitungen durch

In ganzseitigen Annoncen bezeichnet Neonazi Manfred Roeder die deutsche Kriegsschuld als „moderne teuflische Erfindung“. Verleger Batz: Eine Demokratie muß das „aushalten“  ■ Von Annette Rogalla

Berlin (taz)– Neonazi Manfred Roeder hat einen Zeitungscoup gelandet. In den letzten Samstagsausgaben verschiedener Regionalzeitungen verbreitete er seine „95 Thesen zum Lutherjahr“ als ganzseitige Anzeigen. „Von Kriegsschuld überhaupt zu reden, ist eine moderne teuflische Erfindung“, heißt es darin. Und: „Wer uns Deutschen Ausländerfeindlichkeit vorwirft, will im Grund die Deutschfeindlichkeit schüren.“

Die Inserate erschienen in der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen (HNA, Kassel), der Hersfelder Zeitung und in den ostdeutschen Blättern Freies Wort (FW, Suhl) und Südthüringer Zeitung (stz). Nach Auskunft von Dietrich Batz, Verleger der HNA, brachten die Inserate, die im Anzeigenverbund geschaltet wurden, 40.000 Mark ein. Die Blätter haben eine Auflage von insgesamt etwa 400.000 Exemplaren.

Batz sagte gestern gegenüber der taz, vor der Veröffentlichung habe es einen „längeren Schriftwechsel“ zwischen Anzeigenabteilung, Juristen und Roeder gegeben. „Sogar der Staatsschutz in Kassel hat sie geprüft.“ Weder von den Hausjuristen noch von der zuständigen Kripostelle seien Einwände erhoben worden. Diesen staatlichen Freibrief zur Veröffentlichung mag Batz sich gewünscht haben. Der zuständige Leiter des Staatsschutzes, Hain, sagte jedoch, die Anzeige habe seiner Behörde niemals vorgelegen.

Die Empörung in den vier Betrieben ist groß. In ihrer gestrigen Ausgabe entschuldigten sich fw und stz dafür. Es habe sich um eine „technische Panne“ gehandelt, sagte der Geschäftsführer Werner Griego. Das Inserat sei von der HNA über ein neutrales Codewort angekündigt worden und direkt per Datenfernübertragung in die verschiedenen Druckereien gelangt. Die Beschäftigten der HNA werfen Geschäftsleitung und Chefredaktion vor, Roeder ein „breites Forum für seine ausländerfeindlichen und neonazistischen Positionen“ gegeben zu haben und verlangen eine Entschuldigung.

Da ist Verleger Batz ganz anderer Meinung. „Wir versuchen, meinungsneutral zu sein.“ Roeders „Thesen“ seien zwar „übel“, gehörten aber „öffentlich“ debattiert. Eine Demokratie müsse „zeigen, daß sie das aushält“. Die SPD Nordhessen reagierte prompt und erstattete Anzeige gegen Roeder wegen des Verdachts der Volksverhetzung.

Manfred Roeder, von Beruf Rechtsanwalt, ist als Rädelsführer der rechten Szene bekannt. 1982 wurde er wegen eines Anschlags auf ein Hamburger Ausländerwohnheim, bei dem zwei Menschen starben, zu 13 Jahren Haft verurteilt. 1990 wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen. Er ist ein militanter Auschwitz-Leugner und eine Schlüsselfigur der bundesdeutschen Neonaziszene. Zuletzt trat er am 14. Juni in Erscheinung. Zusammen mit zwei anderen bespühte er in Erfurt die Informationstafeln der Wanderausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung über Wehrmachtsverbrechen mit „Lügen“-Parolen.