Deutsch-polnische Freundschaft der besonderen Art: Seit zwei Wochen ermittelt die Staatsanwaltschaft der Stadt Szczecin (Stettin) in Polen gegen einen deutschen Unternehmer, der mit Hilfe polnischer Strohmänner illegale Landkäufe vermittelt

Deutsch-polnische Freundschaft der besonderen Art: Seit zwei Wochen ermittelt die Staatsanwaltschaft der Stadt Szczecin (Stettin) in Polen gegen einen deutschen Unternehmer, der mit Hilfe polnischer Strohmänner illegale Landkäufe vermittelt. Überprüft werden in der Stettiner Gegend insgesamt 35 Joint-ventures, die womöglich alle nur zum Schein gegründet wurden.

Pommerland im Ausverkauf

Der todsichere Deal sollte es werden: illegaler Landkauf in Polen über polnische Strohmänner. Der Makler verdiente sich eine goldene Nase, der deutsche Käufer erwarb günstig Grund und Boden, und auch der Strohmann erhielt für seine Unterschrift ein erkleckliches Sümmchen. Alle waren glücklich und zufrieden. Nur einer wußte davon nichts: der polnische Innenminister, der Landverkäufe an Ausländer genehmigen muß. Vor gut zwei Wochen flog der Millionenbetrug auf. Die Staatsanwaltschaft in Szczecin (Stettin) ermittelt seit dem 11. Juni gegen sieben Polen und einen Deutschen. „Wir überprüfen zur Zeit alle 35 deutsch-polnischen Joint-ventures, die seit 1994 in der Stettiner Gegend Land gekauft haben“, erklärt Staatsanwältin Anna Gawlowska-Rynkiewicz. „Möglicherweise sind über die 19 fiktiven Joint-ventures hinaus weitere deutsch-polnische Unternehmen nur zum Schein gegründet worden. Dann sind deren Landkäufe illegal, und das Land fällt zurück an die staatliche Landwirtschafts- Agentur.“

Über das Handelsregister und die Grundbucheintragung stießen die Ermittler auf eine merkwürdige Adressenhäufung: Sitz zahlreicher Joint-ventures um Stettin herum ist „Wirowek, Gartenstraße 1“. Wirowek aber besteht nur aus dieser einen Adresse. Im „Schloß“, wie die Einheimischen das hochherrschaftliche Gutshaus mit den dazugehörigen Stallungen nennen, wohnt Heinz Joachim Paech mit seiner Frau Malgorzata, dem polnischen Schwager und den polnischen Schwiegereltern. Paech (47), der aus Lübeck stammt und dort – so zumindest tuscheln die Einheimischen – angeblich Schulden in Millionenhöhe bei Banken und dem Finanzamt haben soll, hat die völlig verfallene Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft in Wirowek wiederaufgebaut, einen imponierenden Maschinenpark angeschafft und das Anwesen in einen Musterbetrieb verwandelt. Und Wirowek, so scheint es, hat sich innerhalb von einem Jahr zu einer Pilgerstätte kauflustiger Deutscher entwickelt.

Die meisten lockt eine Annonce nach Polen, die regelmäßig im „Top-Agrar“, einer landwirtschaftlichen Monatszeitschrift, erscheint: „Güter und Bauernhöfe in Polen, 50 bis 1.500 Hektar, ab DM 700 pro Hektar zu verkaufen, ab DM 150 pro Hektar zu verpachten, Grenznähe, Kontakt über Telefon 0048 91 161643.“ Unter dieser Nummer meldet sich kein anderer als Heinz Joachim Paech. Offiziell betreibt Paech in Polen kein Gewerbe. Sein gesamtes Vermögen ist auf den Namen seiner polnischen Frau Malgorzata registriert. Und das ist nicht wenig: drei Schlösser und 3.000 bis 5.000 Hektar Land rund um Stettin.

In der Wojewodschaft Stettin haben seit 1995 mehrere deutsch- polnische Firmen Land gekauft oder langfristig gepachtet: „Farmen“, die unter einem Kürzel firmieren wie „BAP“, „SEA“, „IHP“ oder „Liepe“. All diese Firmen haben ihren Sitz in „Wirowek, Gartenstraße 1“. Heinz Joachim Paech ist in keinem dieser Joint-ventures Geschäftspartner, dafür aber sein Schwager Stanislaw in der Odra- und der Borzyn-Farm, seine Ehefrau Malgorzata in der WZP- und der BVK-Farm. Auch die Schwägerin, die Schwiegereltern und Ludmila Sibilska, eine ehemalige Angestellte der Paechs, sind in einer ganzen Reihe von Joint-ventures die polnischen Geschäftspartner der Deutschen. Die Farmen repräsentieren ein Kapital von mehreren Millionen Mark.

„Irgendetwas war an der Sache faul. Nur was? Wir haben noch nie einen solchen Fall auf dem Tisch gehabt.“ Marek Olbrys, Hauptkommissar der Stettiner Polizei, Abteilung Wirtschaftskriminalität, blättert in den beschlagnahmten Akten des Ehepaars Paech. „Zunächst mußten wir uns selbst einen Überblick über die Rechtslage verschaffen. Dann aber war ziemlich schnell klar, was hier gespielt wurde.“ Nach polnischem Recht muß ein Ausländer, der in Polen mehr als einen Hektar Land erwerben möchte, die Genehmigung des Innenministers einholen. Dieser wiederum muß das im Gesetz verankerte „Interesse des Staates“ wahren und rät daher vielen Kaufinteressenten von dem Antrag ab, insbesondere dann, wenn das Grundstück im für Polen heiklen Grenzgebiet liegt.

Einem Deutschen, der in den ehemaligen deutschen Ostgebieten Land erwerben möchte, empfiehlt der Minister, sich entweder auf 400 qm Bauland beziehungsweise einen Hektar landwirtschaftlich zu nutzende Fläche zu beschränken oder ganz auf den Antrag zu verzichten. Dies geht aus dem Bericht des Innenministers über Landverkäufe an Ausländer im Jahre 1995 hervor. Genehmigt wurde im letzten Jahr der Verkauf von knapp 2.000 Hektar Land mit einer durchschnittlichen Gebietsgröße von 1,5 Hektar. Damit ist jede Form einer rentablen Landwirtschaft ausgeschlossen. Es gibt jedoch eine Möglichkeit, die Genehmigung des Innenministers zu umgehen. Der Käufer muß ein ausländisch-polnisches Joint-venture mit einer polnischen Kapitalmehrheit von mindestens 51 Prozent eingehen.

„Das Geschäft des Ehepaars Paech“, so Marek Olbrys, „beruhte darauf, daß sie kaufwilligen Deutschen ein Joint-venture vermittelten. Der Deutsche wurde Chef der Firma, das Gründungskapital aber kam vorgeblich zu 51 Prozent von polnischer Seite. Kaum war das Unternehmen gerichtlich registriert, überschrieb der polnische Strohmann dem Deutschen sämtliche Rechte, die sich aus dem Joint-venture für ihn ergaben. Wenn die Firma dann Land kaufte oder langfristig pachtete, war es, zumindest auf dem Papier, noch immer ein Unternehmen mit mehrheitlich polnischem Kapital.“ Eine solche Transaktion ließ sich das Ehepaar Paech gut bezahlen. Je nach Größe des Grundstücks stellten sie bis zu 250.000 Mark Maklergebühr in Rechnung. Der Strohmann hingegen oder die Strohfrau erhielten gerade mal 1.000 bis 2.000 Mark. Insgesamt sollen mindestens 19 Deutsche für über 10 Millionen Mark 20 bis 30 tausend Hektar Land gekauft oder gepachtet haben.

„Natürlich ermitteln wir auch gegen die Deutschen“, versichert die Stettiner Staatsanwältin Anna Gawlowska-Rynkiewicz. „Sie wußten ja, daß sie ein fiktives Unternehmen gründeten. Aber letztlich sind sie die Dummen. Denn die Verzichtserklärung der Polen, auch wenn sie notariell beglaubigt ist, ist sittenwidrig und damit nichtig. Da das Land also auf betrügerischem Wege erworben wurde, gehört es den Deutschen nicht und kann ihnen jederzeit wieder weggenommen werden. Doch darüber wird das Gericht entscheiden.“

Die Affäre rund um den „Dojcz im Schloß“, wie die Dörfler in Wirow, Weltyn, Kamionka und Gryfino Heinz Joachim Paech nennen, hat bei den ehemaligen Landarbeitern der LPGs die antideutschen Ressentiments verstärkt. Die meisten von ihnen sind heute arbeitslos, halten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und bewirtschaften einen Mini-Bauernhof. In der Dorfkneipe von Weltyn lösen sich nach einem ersten Bier die Zungen: „Wir wollen keine Sklaven der Deutschen sein! Das waren wir schon einmal im Zweiten Weltkrieg. Wenn wir Land an die Deutschen verkaufen, verkaufen wir uns selbst“, empört sich eine über 70jährige Bäuerin. „Die kaufen ihre Güter zurück“, ereifert sich ein jüngerer, „und wir können sehen, wo wir bleiben. Immerhin haben wir den Krieg gewonnen!“

Henryk Jakubowski hat Land verkauft und strahlt über das ganze runzlige Gesicht: „Ein gutes Geschäft! Ich habe neue Maschinen gekauft und mein Haus renoviert, ich werde einen schönen Lebensabend haben, vielleicht fahre ich sogar mal in Urlaub.“ Der Schalk blitzt ihm aus den Augen, als er flüstert: „Das Geld reicht noch, um billig Land dazuzukaufen. Und das verkaufe ich dann wieder teuer an die Deutschen. Sie sollen nur kommen, die Deutschen!“ Gabriele Lesser, Szczecin