Weibliche Freizeit in primär agrarisch genutzten Räumen Von Susanne Fischer

Wir sind nämlich ein lustiges Tennisdoppel beziehungsweise waren zumindest eines, bis Doris nach Stuttgart geheiratet hat. Danach haben wir eine Doppelkopfrunde aufgemacht, aber das war uns bald zu anstrengend, und außerdem erklärte Anja plötzlich, zu dritt ginge Doppelkopf nicht, habe ihr Freund gesagt. „Ach was“, brüllten Tine und ich im Chor, schon aus Prinzip. „Was Sinnvolles!“ schrie Anja auf einem unserer nächsten Treffen, was Sinnvolles wolle sie tun, „aber mit Freizeitwert und frischer Luft und so!“

Kurzfristig favorisierten wir die Eröffnung einer PDS-Basisgruppe, die in unserer CDU-lastigen Gemeinde bestimmt hohen Freizeitwert gehabt hätte. Tine war schließlich „mehr für etwas Kreatives“ und wollte uns zum Eintritt in den Kirchenchor überreden. „Bleib bei uns, bis der Tag erwacht“ aus 35 Greisinnenkehlen gab ihren sensiblen Ohren allerdings den Rest, besonders als die Damen versuchten, das Lied Fleisch werden zu lassen, indem sie behaupteten, daß vor dem vollständigen Verzehr der selbstangesetzten Liköre niemand den Saal verlassen dürfe.

Es war noch kurz vor einer Beteiligung am beliebten Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ (erste Maßnahme: humane Vertreibung der männlichen Dorfbewohner und sämtlicher Schäferhunde; zweite Maßnahme: Wiedereinführung der Pril-Klebeblümchen) die Rede, ehe wir mehrere sehr gemütliche Vorbereitungstreffen für unsere Grillgruppe organisierten.

Als es aber wirklich ernst werden sollte, behauptete Tine, sie sei zu sensibel für die Verwandlung der Vorbereitungsgruppe in die Grillgruppe. Diesen Sprung könne sie emotional nicht verkraften, ob man sie nicht schrittweise an den neuen Status heranführen könne.

„Ach was“, äfften Anja und ich, sie wolle bloß kneifen, müsse aber sehr wohl, wie besprochen, das Tsatsiki beisteuern. Sie wisse nicht, wie man das schreibt, und wenn sie es nicht aufschreibe, vergesse sie es. „Dann mach doch Kartoffelsalat aus deutschen Kartoffeln!“ schlug Anja vor, aber Tine guckte sensibel, emotional und schrittweise an uns vorbei.

Ich sollte das Fleisch besorgen. „Ich bin Vegetarierin“, warf ich ein, gerade als Anja sagte: „Nun sag' bloß noch...“ Wir sahen uns sensibel und weiblich an, bis Tine „stimmt ja gar nicht“ krähte. Stimmt auch nicht. „Nu-Nu-Nudelsalat“ sangen Tine und ich jetzt im Duett. Anja blickte gequält zu Boden und flüsterte, sie fände Nudelsalat so gewöhnlich. „Ihr Vater ist Studienrat!“ sagten Tine und ich fünfmal zueinander. „Oberstudienrat!“ wisperte Anja bescheiden.

Und bald war auch die Stunde der Wahrheit gekommen. Anja hatte Bier mitgebracht und Tine Schnaps. Ich steuerte meine Terrasse bei. Tsatsiki, Fleisch und Nudelsalat hatten wir vergessen. Außerdem hätten wir dann an der Tankstelle Holzkohle besorgen müssen, wo ein Bündel bierseliger, vollfetter Würstchen auf solche wie uns gerade noch gewartet hätte: „Na, Mädels, Holzkohle? Euch ist wohl noch nicht heiß genug, hahaha?“

Ach was. Gegen Mitternacht sangen wir falsch und hungrig: „Draußen gibt's nur Kännchen – ach was, ach was“, und die Tankstelle war sowieso schon lange geschlossen.