Wühltisch
: Die Haut zu Markte tragen

■ Geheimnis der Gesichter: Parfümerien leben von den Stadien der Austrocknung. Zur Nachbehandlung schickt die Firma Douglas ihre Kunden sogar nach Lerbach

Weil mir die intensiven Düfte von Parfümabteilungen meist eine gewisse Übelkeit bereiten, bin ich der Aufforderung erst nach dem 45. Mal gefolgt: „Come in and find out.“ Wer die Parfümerien von „Douglas“ betritt, heißt es in einem Prospekt der Kette, die im Werbefernsehen in holprigem Englisch auf sich aufmerksam macht, will sich bezaubern lassen. Von einer Welt des Duftes, der Schönheit und der Sinnlichkeit.

Noch ehe ich mir eine Beschreibung des Hauttyps meiner Freundin zurechtgelegt hatte, war ich mit einem makellos geschminkten Mund in ein Fachgespräch über Hautfragen verwickelt. Man ahnt als gewöhnlicher Fußgänger ja nicht, in welch existentielle Kämpfe die Hülle des Körpers verstrickt ist. „Trockene Haut ist wie ein Körper, der Hunger und Durst hat.“ Man denkt unweigerlich an verlorene Expeditionsteilnehmer in der Wüste, siechend. Die Leiden der Haut, Wasser- und Lipidmangel, haben etwas Hardykrügerhaftes.

Eine andere Gefahr ist die Glykation. Tag für Tag lagern sich schädliche Zucker an die Stützproteine an, verlangsamen deren Erneuerung und ziehen eine progressive Faltenbildung nach sich.

Das Geheimnis des Gesichts liegt in den Stadien seiner Austrocknung. Machen Collagen mitunter Kunstverständigen zu schaffen (haha), so hat die älter werdende Haut seit jeher mit Kollagen zu tun, einem leimartigen, stark quellenden Eiweißkörper im Bindegewebe.

Roland Barthes hat am Gesicht der Greta Garbo erläutert, daß es beim Schminken gar nicht so sehr um Geheimnisse geht als vielmehr um einen Archetypus des menschlichen Gesichts. Das geschminkte Antlitz der Garbo in „Königin Christine“ habe die schneeige Dichte einer Maske, beinahe entsexualisiert.

Der Gedanke, daß auch Douglas wenig zur Intensivierung der Reize beizutragen hat, drängte sich mir auf, als ich die tiefroten Lippen noch immer über Dürrekatastrophen und Lotionexpertisen reden hörte. Das hat möglicherweise mit der Wiederkehr des Körpers zu tun, die Anfang der achtziger Jahre sogar in philosphisch geschulten Kreisen gefeiert wurde. Man ernährte sich gesund, trimmte seinen Körper und geißelte wortgewaltig die Hypertrophie des Sehens und Hörens. Die Haut wurde als ältestes und weitreichendes Wahrnehmungssystem wiederentdeckt. „Die Sprache des Tastsinns ist die früheste aller Sprachen, und sie ist universell“, heißt es bei Ashley Montagu. Berühren kennzeichnet die Tasterfahrung ebenso wie emotionale Rührung.

Das Berühren von Geldscheinen hingegen ist in Parfümerien noch immer ein Akt schmutziger Austauschverhältnisse. Entzündete Nagelbetten und stumpfe Fingerkuppen müssen an der Kasse nicht sichtbar werden. Mit Hilfe der Douglas-Card lassen sich neben Feuchtigkeitsverlusten aller Art auch solche Probleme bargeldlos kaschieren. Mit der Karte wird die Parfümerie ganz nebenbei noch zur Theaterkasse, zum Reisebüro und Trödelladen. Das Wochenarrangement der Lancaster-beauty-farm im Schloßhotel Lerbach ist mit Behandlungen und Kochkurs schon für 2.520 Mark pro Person zu haben.

Gewissermaßen als Schnäppchen für die Sinne werden außerdem Vorführungen exklusiver Duftkreationen angeboten. Noch bevor ein einzigartiger neuer Duft im extravaganten Großflakon in den Handel kommt, kann der Karteninhaber zum Subskriptionspreis vorkosten.

Andere Parfümfläschchen wiederum gehen seit einiger Zeit als Sammelobjekte durch, und so gibt's das Paloma-Picasso-Set (von der leibhaftigen Tochter) nur bei Douglas. Doch gegen die primäre Funktion einer Parfümerie ist das alles nur kosmetischer Schnickschnack. Ich war ins Geschäft hineingegangen und hatte herausgefunden, daß die Welt der Schönheit vor allem eine Art Club of Rome für Hautprobleme sein möchte. Harry Nutt