■ Magdeburg: Zwei Jahre Tolerierung durch die PDS
: Der Dom steht noch

Heute vor zwei Jahren drohte von Magdeburg aus die Welt unterzugehen. Noch in der Wahlnacht erklärte Reinhard Höppner selbstbewußt, er werde sich in Sachsen-Anhalt nicht in sein Schicksal als Juniorpartner einer großen Koalition fügen, sondern eine rot-grüne Minderheitsregierung anstreben. Das Magdeburger Modell war erfunden, Pfarrer Hinzes Rote- Socken-Kampagne folgte.

Inzwischen ist es ruhig geworden, der Magdeburger Dom steht noch. Die rot-grüne Minderheitsregierung sitzt fester im Sattel als die rot-grünen Koalitionen im Westen. Die strukturelle Schwäche beider Parteien, die fehlende gesellschaftliche Verankerung erleichtert ihnen die Kompromißfindung. Längst allerdings ist die PDS heimlicher Koalitionspartner. Nur einmal suchte die Landesregierung in den letzten beiden Jahren eine Mehrheit mit der CDU.

Die von der PDS tolerierte rot-grüne Regierung wird auch die kommenden zwei Jahre überstehen, obwohl im Herbst einschneidende Sparbeschlüsse anstehen. 1,5 Milliarden Mark fehlen im Haushalt 1997. Dabei droht die ökologisch-soziale Reformpolitik auf der Strecke zu bleiben. Vor allem die PDS wird ihren Wählern erklären müssen, warum die Angleichung der Lehrerbesoldung an den Westen verschoben und der Kindergartenzuschuß gekürzt wird.

Das Magdeburger Modell funktioniert, weil alle drei Parteien zum Erfolg verdammt sind. Höppners politische Karriere wäre bei einem vorzeitigen Scheitern wohl beendet, die Bündnisgrünen würden in die Bedeutungslosigkeit abrutschen. Die PDS will ihr realpolitisches Referenzprojekt nicht gefährden, schließlich soll es größere Aufgaben vorbereiten.

Dennoch sind die Magdeburger Verhältnisse wohl ein Auslaufmodell, auch wenn eine absolute Mehrheit für Rot-Grün nicht in Sicht ist. Die SPD muß sich entscheiden, ob sie im Osten auf Dauer andere Mehrheiten will. Dies geht nur, wenn die PDS fest eingebunden wird. Viele Bündnisgrüne befürchten, dann endgültig zum fünften Rad am Wagen zu werde. Sie drängt es angesichts des Flirts von SPD und PDS in die politische Mitte. 1998 wird allerdings in Sachsen-Anhalt sechs Monate vor den Bundestagswahlen gewählt. Und vor diesen Schicksalswahlen wird die SPD weitergehenden Modellen mit Sicherheit keine Chance geben. Christoph Seils