Spürnasen im Untergrund

■ Guided By Voices, Spoon und Silkworm führen den Matador-Stil vor

Die Herren Chris Lombardi und Gerard Cosloy, Gründungsväter von Matador Records, sind auf jeden Fall gediegene Spürnasen. Immerhin dürfen sie sich rühmen, Ende der 80er Jahre Bands wie Sonic Youth in den Indie-Olymp gehoben zu haben. In der Post-Nirvana-Ära, da die Plattenindustrie immer unübersichtlichere Massen von namenlosen „Alternative Rock“-Bands auf den Markt wirft und wieder abschreibt, scheint so etwas gutes Geld wert zu sein.

Lombardi und Cosloy konnten in der vergangenen Woche 49 Prozent der Matador-Anteile an die Major-Firma Capitol verkaufen, und das für eine Summe, die, laut Branchengerüchten, zwischen zehn und zwanzig Millionen Dollar gelegen haben dürfte. Capitol-Präsident Gary Gersh redet von „smarten, kreativen, jungen Leuten“ und hofft auf die Stadionrocker von morgen.

Underground-Blätter wie Maximum Rock'n Roll hingegen geißeln Matador schon seit ihrem kürzlich geplatzten Deal mit Atlantic, diverse Sublabels von Matador lieferten ihnen mit Beschwerden wegen dubioser Abrechnungen die Munition dafür. Die letzte Ausgabe des Rolling Stone faßte die Situation in der Überschrift „hip but unprofitable“ zusammen.

Will heißen, die jüngsten Entwicklungen an der Großindependent-Front werden einstweilen weniger mit beeindruckenden Verkaufszahlen als mit einer ganz neuen Kategorisierung belohnt. Die europäische Musikpresse spricht von den Too Pure-, Big Cat- oder eben Matador-Bands. Durch diese Label profiliert sich der Künstler und nicht umgekehrt. Die typische Matador-Band, so heißt es, klingt nach aufgedrehtem, leicht dissonantem und LowFi-produziertem Noise-Pop. Dazu kommen wahlweise röhrende, zornige junge Männer oder melodiös den Lärm überhauchende Girls.

In diesem Sinne repräsentieren die anarchisch schrabbelnden Silkworm und die hochenergetischen, Pixies- und Postpunk-beeinflußten Spoon am kommenden Samstag im Logo die Generallinie des Labels, während Guided By Voices als spät entdeckte Großväter dieses eklektizistischen Schredder-Stils gelten dürfen. Auf Tonträgern reihen sie puristisch einen luziden zweiminütigen Song an den anderen. Live jedoch entwickelt sich Guided By Voices-Kopf Robert Pollard zum schwer angeschlagenen, verschwitzten Pub-Rocker, der allen Jungmusikanten zeigt, was man so alles machen kann, wenn man es bis vierzig immer noch nicht bis zum „Rock am Ring“ gebracht hat.

Christoph Twickel

Sa, 29. Juni, 21 Uhr, Logo